Erfahren Sie mehr über psychologisches Wohlbefinden*

Hier schreibe ich über das positiv psychologische Wohlbefinden, die Chancen, die es eröffnet, das Denken und Handeln für mehr Wohlbefinden, unsere positiven Stärken und Tugenden,die Erkenntnisse der Positiven Psychologie.

Hier finden Sie Gedanken, Ideen, wissenschaftliche Fakten, Zitate, Anregungen.

 

Bisherige Themen

- Wie gelingt psychologisches Wohlbefinden

- Positive Revolution

- Positive Psychologie  

- Die neuen Fragen

- Genießen Sie das Leben

- Macht Glück glücklich?

- Beste Ziele: Ziele finden und erreichen mit den Erkenntnissen der Positiven Psychologie

- Ziele und Vorsätze: So gelingt es

- Positive Emotionen - Multitalente für das Wohlbefinden

- 3 : 1 für das Gute

- Die Reset- oder Löschfunktion positiver Gefühle

- Negative Emotionen - rettend oder gefährlich?

- Warum das Beseitigen von Widrigkeiten allein nicht glücklich macht

- Ist psychologisches Wohlbefinden mehr als Glück?

- Beziehung zu anderen Menschen

- Geboren, um gut zu sein

- Wohlbefindensaktivitäten / Glücksaktivitäten

- Flow fürs Wohlbefinden

- Ist Flow gut?

- Unsere Stärken: die Bestausstattung für unser Leben

- Begeisterung und Lebensfreude

- Der Perspektivewechsel

- Zum guten Leben befähigen - Martha Nussbaum

- Abraham Maslow

- Sinn finden

- Das macht Sinn

- Wie halten wir das nur aus .....

- Was ist Resilienz?

- Keine Panik: Wie unser Gehirn tickt

- Rumi und die öffnende Kraft der positiven Emotionen

- Lachen

- Nur wenn es echt ist ...

- Glück oder Stress

- Glücklich machen ist das höchste Glück Aber auch dankbar annehmen ist ein Glück.
   Theodor Fontane

- Weiches Herz, Gesundes Herz

- Mit Ellbogen zum Erfolg?

- Wir alle können geben ... und aufblühen

- Helfen und Wohlbefinden

- Echte Freundschaften

- Mehr vom Guten

- Ich schätze mich, achte auf mich, lenke mich: Selbstkontrolle

- Die Entwicklung des Universums mitgestalten

- Mein Warum

- Wie fühlt sich psychologisches Wohlbefinden an?

- So können wir psychologisches Wohlbefinden aufbauen

- 5 Wege zum Wohlbefinden

- Spinoza und die Positive Psychologie

 

 

 

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Wie gelingt psychologisches Wohlbefinden

Psychologisches Wohlbefinden meint ...
. . . die Entfaltung unserer menschlichen Möglichkeiten
. . . unsere Fähigkeiten für ein gutes, erfüllendes Leben zu erkennen  und anzuwenden
. . .  dass wir uns persönlich gut fühlen und so handeln können, dass unser Leben tatsächlich auch gut läuft
. . . dass wir uns um unser Leben kümmern, darin engagieren und Tätigkeiten finden,  in denen wir ganz aufgehen und unsere Fähigkeiten erweitern
. . . Sinn, Liebe und Verbundenheit zu erleben, Dankbarkeit ausdrücken zu können
. . . bei schmerzlichen Erlebnissen und Enttäuschungen
Vertrauen und Halt zu haben und Hoffnung und neue Perspektiven zu entwickeln
. . . dass wir so belastbar sind, dass wir die Schwierigkeitendes Lebens mit unseren Fähigkeiten meistern
. . . Freude an unseren Leistungen zu haben und Ziele zu verfolgen, die mit unseren Werten übereinstimmen
... unsere Sinne zu nutzen, um Schönheit und exzellente Leistungen zu genießen
... dass wir fähig sind zu Beziehungen, um Schönheit und exzellente Leistungen zu genießen, in denen nicht nur wie selbst uns wohl fühlen, sondern in denen auch andere sich mit uns wohl fühlen und in denen wir förderlich und bereichernd
wirken.

Wie gelingt Wohlbefinden?

Der humanistische Psychologe Abraham Maslow hätte geantwortet: Indem wir „unsereinnere Natur fördern und ermuntern,  anstatt sie zu unterdrücken. Wenn man ihrerlaubt, unser Leben zu leiten, wachsen wir gesund, fruchtbar und glücklich.“* 1

Wir verfügen über alle diese Stärken, die Individuen und Gemeinschaften aufblühen lassen. Sie sind ein wesentliches Gebiet der Positiven Psychologie. 
 
 „Wenn man seine größten Stärken aufwendet, so führt das zu mehr positiven Gefühlen, mehr Sinn, mehr Erfolg und zu besseren Beziehungen.“* 2  So Martin Seligman, Pionier derPositiven Psychologie, der Wohlbefinden durch die fünf Größen Positive Emotionen – Engagement – Positive Beziehungen – Sinn – Positive Zielerreichung definiert.

Mit unserem Verhalten, unserer Wahrnehmung, unserer Denkweise und unserer Motivation können wir Einfluss auf unser Wohlbefinden nehmen, so Sonja Lyubomirsky *3,die seit Jahrzehnten wissenschaftlich erforscht, was uns glücklich macht. Wir können beispielsweise Freundlichkeit und Dankbarkeit üben, entscheiden, wie wir Lebensereignisse beurteilen, Ziele anstreben, die unseren eigenen Werten entsprechen, körperlich aktiver sein. 

Wir können eine neue Perspektive einnehmen, die die Chancen der Menschen wahrnimmt


*1
Abraham Maslow: Psychologie des Seins(1962) (Vorwort)
*2  
Martin Seligman: Flourish. Wie Menschen aufblühen(2012) S. 46, S. 338
*3 Sonja Lyubomirsky: Glücklichsein: Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben(2013)

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 Positive Revolution

Die Arbeit der Psychologie-Professoren Martin Seligman und Chris Peterson war eine Revolution. Sie stellte die Psychologie auf den Kopf, die sich bis ´zum Ende des 20. Jahrhunderts hauptsächlich mit charakterlichen Defiziten beschäftigt hatte.

Leider wenden die meisten Menschen ihre Stärken viel zu selten an. Ihre Anwendung fördert das authentische, gelingende Leben und andererseits gelingt es uns umso selbstverständlicher, sie anzuwenden, je offener wir für unsere guten Seiten sind.

Martin Seligman sagt, wir spüren es, wenn wir unsere Charakterstärken einsetzen, weil

- unser Tun uns das Gefühl gibt, ganz wir selbst zu sein,
- wir das Gefühl haben, etwas zu lernen,
- wir unsere bekannten Fähigkeiten auf neue Weise nutzen,
- es sich  richtig anfühlt, was wir tun,
- wir uns dadurch gestärkt fühlen,
- wir dabei voller Begeisterung sind.

Klingt das gut?  Das ist Positive Psychologie!

Sie bringt uns mit dem Besten in uns in Berührung.

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Positive Psychologie  

Was macht das Leben lebenswert, anziehend, unwiderstehlich? Sieht man es uns an, an einem Lächeln? Was hat es mit Glück zu tun? Was ist Glück überhaupt? 

“Ein Lächeln ist kein unfehlbarer Indikator für all die Dinge, die das Leben lebenswert machen. Wenn wir ganz und gar in erfüllende Tätigkeiten vertieft sind, wenn wir mit unserem Herzen und unserer Seele reden oder wenn wir etwas Heldenhaftes tun, dann mögen wir lächeln oder auch nicht, und es mag sein oder auch  nicht, dass wir in dem Augenblick Lust erfahren. All diese Dinge sind von zentraler Bedeutung für die PositivePsychologie, und sie liegen außerhalb des Bereichs der Glückologie.“(Christopher Peterson A Primer in Positive Psychology, 2006, S. 7)

Diese „Dinge“ bringen vielleicht ein Lächeln auf die Lippen und gehen weit darüber hinaus.

Diese „Dinge“ sind positive Emotionen, Sinn, Flow, Liebe und Verbundenheit, Dankbarkeit,persönliches Wachstum, positive Charakterstärken, Zielerreichung, gute zwischenmenschliche Beziehungen, Engagement, Belastbarkeit, Selbstachtung, Lebensfreude, Optimismus, Selbstbestimmung, Selbstwirksamkeit.

Sie sind die Elemente des positiv psychologischen Wohlbefindens, sie sind die Themen der Positiven Psychologie.

Die Beschäftigung mit den Inhalten der Positiven Psychologie öffnet uns Menschen für unsere erstaunlichen Möglichkeiten, trägt bei zu Wohlbefinden und Wachstum und Aufblühen.

Wir können die„Dinge“ fördern, pflegen, vermehren.
Die Betonungliegt nicht darauf, das Minus auf dem Wohlbefindenskonto zu verringern, sondern das Plus zu vermehren, Potenziale zu entfalten und Ressourcen anzulegen.

Mit diesen Inhalten bringe ich Sie in meinem Projekten für Positiv Psychologisches Wohlbefinden in Berührung.

Sie werden Ihre Wahrnehmung, Ihre Gedanken, ihre Beziehungen, Ihre Arbeit, Ihr Leben förderlich beeinflussen, zu einer positiv psychologischen Lebensgestaltung, zumWohlbefinden beitragen.

Sie führen dazu, dass wir gern aufstehen und unser bestmögliches Leben leben, daran mitwirken, die Voraussetzungen zur Verwirklichung der guten menschlichen Eigenschaften und Stärken, für ein besseres Miteinander zu schaffen, ob in unserem privaten Leben, als Partner/in, Single, in der Familie, in jedem Alter, im Geschäft, inder Schule, im Krankenhaus,  wo auch immer.

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Die neuen Fragen

1998 forderte der amerikanische Sozialpsychologe Martin Seligman von der University of Pennsylvania als damaliger Präsident der American Psychological Association, der weltweit größten Vereinigung von Psychologen und Psychotherapeuten, seine Kolleginnen und Kollegen auf, sich nicht mehr nur mit seelischen Krankheiten, sondern auch vermehrt damit zu beschäftigen, was Menschen seelisch gesund hält. Das hatten bis dahin wenige getan.

Die neuen Fragen heißen:

- Was hält Menschen psychisch gesund?

- Warum bleiben manche Menschen trotz widriger Lebensumstände, Misserfolgen, Kränkungen seelisch gesund und zeigen sogar persönliches Wachstum? 

- Wie gelingt es Menschen, Krisen zu meistern?

- Warum sind einige Menschen glücklicher als andere?

Seitdem liefern die Forschungsergebnisse der positiven Psychologie Antworten und zeigen, welche wesentliche Rolle positive Gefühle, Optimismus, Hoffnung, Dankbarkeit und Glück für psychisches Wohlbefinden und Wachstum spielen.

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Genießen Sie das Leben!  

Genießen tut uns gut und, wie Umfragen immer wieder zeigen, täten die meisten Menschen es gern öfter und intensiver. 

Unbestritten ist, dass Genießen das Leben schöner macht, zum Wohlbefinden beiträgt.

Ruut Veenhoven, Soziologie-Professor an der Erasmus-Universität Rotterdam, beschäftigt sich seit Jahren mit der Erforschung der Lebensfreude, in der Genuss eine wesentliche Rolle spielt

 „Wir leben nur einmal und es wäre tragisch, wenn wir dieses eine Leben nicht genießen würden. Die Lebensfreudeforschung kann uns dabei helfen, lebensfroher zu werden, genau wie die Gesundheitsforschung dazu beigetragen hat, dass wir heute gesünder sind.“ 

 „Genuss zeigt sich, indem schöne Dinge im Leben bewusst aufgesucht und mit allen Sinnen empfunden werden. Es können Erlebnisse, die in der Vergangenheit, in der Gegenwart oder auch in der Zukunft liegen, ausgekostet werden. Wer genießen kann, zeigt eine höhere Lebenszufriedenheit, ein verbessertes Wohlbefinden und weniger Depressivität“, lautet die Schlussfolgerung aus einer US-amerikanischen Untersuchung. (Smith & Hollinger-Smith, 2014)

Was sind die „schönen Dinge“, die zu Lebensfreude und Lebenszufriedenheit beitragen? 

Genuss verbinden wir mit angenehmen Sinnesempfindungen, körperlichem und geistigem Wohlbehagen. Oft denken wir an kulinarische Genüsse, Schokolade, Düfte, körperliche Vergnügen, kleine Dosen von Genussgiften, wie Alkohol oder Nikotin, den Lieblingssport, das entspannte Zusammensein mit den Liebsten.

Genuss geht weit über die Erfahrungen hinaus, die wir mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen. Genuss ist nicht für die Freizeit reserviert, nicht vom täglichen Leben ausgegrenzt. So wesentlich Achtsamkeit ist, ist Genießen nicht mit Achtsamkeit zu verwechseln. 

Genießen ist in erster Linie eine Einstellung, eine Bereitschaft, mit den guten Erlebnissen und den guten Gefühlen auch gut umzugehen, sie so zu sagen zu „vergolden“. Wem das gelingt, der schafft psychische und körperliche Ressourcen, hat bessere Beziehungen zu seinen Mitmenschen, erfährt mehr Sinn und Erfüllung in seinem Leben.  

Pionierarbeit in der Erforschung des Genießens leistet Prof. Fred Bryant an der Loyola University in Chicago seit den 1990ern. 

Er hat interessante und wegweisende Formen des Genießens herausgearbeitet und zehn Strategien beschrieben, die uns helfen, dieses eine Leben wirklich zu lieben, zu genießen und die vielen Vorzüge eines genussvollen Lebens zu erfahren.  

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Macht Glück glücklich?

„Glück für die gesamte Menschenfamilie ist eines der Hauptziele der Vereinten Nationen.“
UNO Generalsekretär Ban Ki-moon (UN-Website) 

Was ist Glück?

Für ein erfülltes Leben sei Glück nicht wichtig, so George Vaillant, Harvard Professor, der 35 Jahre lang die nunmehr seit siebzig Jahren laufende  Langzeitstudie an Harvard-Absolventen betreute „Den größten Einfluss darauf, ob ein Leben gelingt, hat Bindung. Und dabei geht es nicht unbedingt um die Bindung zum Lebenspartner, sondern eher um die grundsätzliche Beziehung zu anderen Menschen“ *1- und zwar menschenliebende, einfühlsame Verbindungen.

Viktor Frankl, Wiener Psychiater, der  1945 aus dem Konzentrationslager befreit wurde, in Auschwitz Häftling Nr. 119104: „Im Dienst an einer Sache oder in der Liebe zu einer Person erfüllt der Mensch sich selbst. Je mehr er aufgeht in seiner Aufgabe, je mehr er hingegeben ist an seinen Partner, umso mehr ist er Mensch, umso mehr wird er er selbst. Sich selbst verwirklichen kann er eigentlich nur in dem Maße, in dem er sich selbst vergisst, indem er sich selbst übersieht.“ *2

Zum wahren Glück gehören also gute, engagierte zwischenmenschliche Beziehungen, Verbundenheit mit einer Aufgabe, die über das eigene Selbst hinausgeht und Sinn gibt.

Prof. MartinSeligman von der Pennsylvania University, prominenter Vertreter der PositivenPsychologie, spricht nicht mr von Glück, sondern von Wohlbefinden (well-being),das auf fünf Säulen beruht:

Positive Emotionen – Engagement/Interesse – Sinn – Positive Beziehungen –Zielerreichung 

Wie positive Emotionen wirken

Positive Emotionen sind mehr als Glücksgefühle und Zufriedenheit.
Glücksforscherin Barbara Fredrickson *3 unterscheidet zehn positive Emotionen:
Freude,Dankbarkeit, Gelassenheit, Interesse, Hoffnung, Stolz, Vergnügen/Genuss,Inspiration, Bewunderung, Liebe.

Die Fähigkeit zu positiven Emotionen ist in uns nicht ohne Sinn und Grund angelegt.
Sie helfen uns, uns selbst und andere verständnisvoller zu sehen, Fähigkeiten in uns und anderen zu erkennen, eine bessere Meinung von sich und anderen zu haben, kreativer und flexibler zu denken; sie erweitern unsere Wahrnehmung, geben eine breitere Aufmerksamkeit, lassen uns größere Zusammenhänge erkennen, das größere Bild („bigger picture“) sehen, optimistischer, großzügiger denken. Kurz: Sie führen zu positiven Wahrnehmungen, Einstellungen und Denkweisen, und diese wiederum fördern gute Gefühle.
Das ist dasGroßartige an unseren positiven Gefühlen: Sie sind Ursache und Folge.  

Dankbarkeit

Eine der wichtigsten und in ihrer Wirkung besonders gut erforschte Emotion und gleichzeitig eine unsere Stärken (wir brauchen sie nur zu aktivieren) ist die Dankbarkeit.
Die Psychologieprofessoren Robert A. Emmons und Michael McCullough wiesen nach,dass Menschen, die das Gefühl der Dankbarkeit regelmäßig kultivieren, mehr positive Emotionen, Gelassenheit und Freude, tiefere persönliche Beziehungen und stärkere Gesundheit aufweisen.
„Dankbarkeit bedeutet Anerkennen und Erkennen“, so Robert A. Emmons *4
 
Dankbarkeit ist eine der fünf positiven Charakterstärken, die in besonderem Maße zu Wohlbefinden beitragen:
Dankbarkeit
Hoffnung /Optimismus
Begeisterung /Lebensfreude
Neugier
Bindungsfähigkeit, Fähigkeit zu lieben und geliebt zu werden

Unsere Stärken  
Die Positive Psychologie unterscheidet insgesamt 24 Charakterstärken. Sie sind die Wege zuden sechs Tugenden Wissen & Weisheit, Mut, Menschlichkeit & Liebe,Gerechtigkeit, Mäßigung, Transzendenz:
- Neugier, Kreativität, Lust am Lernen, Urteilsvermögen, soziale Intelligenz, Weitblick
- Tapferkeit, Ausdauer, Aufrichtigkeit
- Lieben & Geliebt werden, Menschenfreundlichkeit
- Teamfähigkeit, Fairness, Führungsfähigkeit 
- Selbstkontrolle, Besonnenheit, Bescheidenheit 
- Begeisterung, Dankbarkeit, Hoffnung. Vergebungsbereitschaft, Sinn für das Schöne und Erhabene, Humor, Spiritualität

Wir alle verfügen über diese positiven Charakterstärken in unterschiedlicher, individueller Ausprägung. Die eigenen Stärken zu kennen, zu stärken und anzuwenden, ist ein wesentlicher Schritt zu einem glücklichen,authentischen Leben.   

Ziele sind gut fürsWohlbefinden ….

Aber Ziel ist nicht gleich Ziel.
Die Wohlbefindensfrage lautet: Wie viel Fremdbestimmung vertragen unsere Ziele? 
 
Ziele, die wertvoll für das psychologische Wohlbefinden sind, unterstützen unsereSelbstbestimmung. Die Selbstbestimmungstheorie geht davon aus, dass Menschen Verbindung zu anderen brauchen, dass sie ihre Stärken und Fähigkeiten aktiv und erfolgreich einsetzen und selbst entscheiden wollen, wo und wann sie das tun. Wenn unsere Ziele diese Grundbedürfnisse unterstützen, dann sind wir motiviert und brauchen keine äußeren Anreize für unser Verhalten. Wir tun das, was wir tun, weil es uns wichtig ist, wir Wert darin sehen oder einfach Freude daran haben.

Klar, dass hier auch diejenigen gefordert sind, die Ziele vorgeben: wie gut sind die Zieleerklärt, wie sehr werden die oben genannten Grundbedürfnisse erfüllt, wie gut können wir  uns die Ziele zu Eigen machen und wie selbstständig können wir handeln.

Macht Geld, materieller Besitz glücklich? Geld macht glücklich, aber mehr Geld macht nicht noch glücklicher und es trägt nicht zum Wohlbefinden bei, wenn es zum alleinigen Lebensziel wird. Lebensziele beeinflussen das subjektive Wohlbefinden, wobei sich Karriereerfolg und materielle Gewinne als Null-Summen-Ziele für das Wohlbefinden herausstellen, während sozialesEngagement, Engagement für Familie und Freunde als Nicht-Null-Summen-Zielebestätigt werden.*5 Je mehr wir mitfühlend handeln können, anderen helfen, desto glücklicher werden wir auf lange Sicht. Entscheidend ist, dass wir freiwillig, selbstbestimmt handeln, nicht aus Druck oder dem Gefühl, es tun zu müssen oder um uns ein gutes Image zu geben und dass wir uns nicht mit anderen vergleichen.  

Nicht, um glücklich zu werden 

„Je mehr der Mensch nach Glück jagt, umso mehr verjagt er es auch schon. Um das zu verstehen, brauchen wir nur das Vorurteil zu überwinden, dass der Mensch im Grund darauf aus sei, glücklich zu sein; was er in Wirklichkeit will, ist nämlich, einen Grund dazu zu haben. Und hat er einmal einen Grund dazu, dann stellt sich das Glücksgefühl von selbst ein. Indem Maße hingegen, in dem er das Glücksgefühl selbst anpeilt, verliert er denGrund, den er dazu haben mag, aus den Augen und das Glücksgefühl selbst sackt in sich zusammen. Mit anderen Worten, Glück muss er-folgen und kann nichter-zielt werden.“*6

Viktor Frankls Erkenntnis wird auch durch neue Studien zum Erlangen von Glück und Wohlbefinden bestätigt. „Menschen, die Glück einen hohen Wert beimessen, setzen Glücksnormen, die schwer zu erfüllen sind, und das führt dazu, dass sie sich in ihrem Glücksempfinden enttäuscht fühlen und ihr Glück folglich abnimmt.“ *7 

Im Fluss sein

Am besten gelingen Glück und Wohlbefinden, wenn wir uns selbst vergessen. Das ist auch das Geheimnis des Flow, dieses besonderen Fließzustandes, wenn wir einerTätigkeit so voller Hingabe und mit dem Einsatz unserer Fähigkeiten nach  gehen,dass wir dabei die Zeit und uns selbst vergessen. Jedes Flow-Erleben trägt zu unserer Kreativität, Leistungsfähigkeit, Selbstachtung, Gelassenheit bei, macht uns einzigartiger.

Geben ist das Schlüsselwort. Im Flow geben wir unsere Fähigkeiten, unsere Konzentration. Es hat sich gezeigt, dass Geben geradezu ein Erfolgsmodell sein kann. Erfolgreiche Unternehmen (und auch das eigene Leben) beruhen auf einer feinen Balance von Geben, Nehmen und Tauschen. Und tatsächlich sind dieGebenden weitaus öfter erfolgreicher, als vielleicht gemeinhin vermutet. SoAdam M. Grant, Professor für Organisationspsychologie an der Wharton Business School (University of Pennsylvania) *8. Gebende bekommen unter Umständen keine unmittelbare direkte Gegenleistung von denjenigen, denen sie helfen. Aber sie erleben in ihrem Tun eigene Zufriedenheit, setzen ihre Fähigkeiten ein und weiten sie dadurch aus, sie verbessern und gestalten ihr Umfeld, in dem sie letztlich erfolgreich sind.

Wir alle können geben… und aufblühen

Geben sei die stärkste Kraft auf diesem Planeten, so Professor Stephen Post*9. Wissenschaftliche Fakten aus unterschiedlichen Disziplinen belegen, welch einen enormen Einfluss Geben auf das psychische und körperliche Wohlbefinden hat.

Der Professor beschreibt 10 Arten des selbstlosen Gebens, die nicht nur das persönliche Leben nachhaltig lebenswerter machen, sondern auch Unternehmen, Schulen, Nachbarschaften, Gemeinden aufblühen lassen. 

- Anderen gegenüber meine Dankbarkeit ausdrücken.
- Am Wohl kommender Generation mitwirken (nicht „nach mir die Sintflut“)
-Vergebungsbereitschaft
- Mut (zu meiner Überzeugung stehen)
- Humor
- Anderen  Lebewesen respektvoll begegnen
- Mitgefühl
- Loyalität, Treue 
- Anderen zuhören (mir Zeit für sie nehmen)
- Kreativität  (entdecken und Dinge auf neue Weise sehen und tun)

Take 5

Der Weg zum psychologischen Wohlbefinden ist im Grunde genommen recht einfach.
Die New Economics Foundation (neweconomics.org) ist eine unabhängige Organisation in Großbritannien, die Ideen entwickelt,wie die Wirtschaft sich zu Gunsten der Menschen und des Planeten wandeln kann.Sie wurde vom UK Regierungsprojekt Foresight Project on Mental Capital and Wellbeing beauftragt,  Aktivitäten zur Steigerung des persönlichen Wohlbefindens mit nachgewiesener Wirksamkeit zu entwickeln.
Herausgekommensind dabei die „Five Ways to Wellbeing“. Diese 5 Wege sind so einfach und einleuchtend, dass jeder sie  umsetzen kann, im täglichen Leben, privat, beruflich, in jedem Alter.
 
- Sich mitanderen Menschen verbinden
Familie, Freunde,Kollegen, Nachbarn, Bekannte, im privaten, schulischen, Arbeits-, Gemeindeumfeld …. Beziehungen zu anderen Menschen bereichern das Leben und sind in vieler Hinsicht sowohl Freude als auch wertvolle Unterstützung.

- Aktiv sein
Sich im Freien aufhalten, wandern, spazieren, Fahrrad fahren, tanzen … irgendeine körperlicheAktivität, die zu uns, unserer Mobilität passt und uns Spaß macht … und schon fühlen wir uns wohl.

- Bewusst wahrnehmen
Das Schöne, das Ungewöhnliche, die Veränderungen um sich herum wahrnehmen, den Augenblick, wo immer und mit wem auch immer genießen, neugierig und offen sein, Pausen im Tag dafür nutzen … und wir stellen fest, dass es vieles im Leben gibt, das uns etwas wert ist. 

- Immer weiterlernen
Etwas Neues lernen, Wissen und Fähigkeiten vertiefen, alte Interessen wieder aufnehmen, Dinge zu Hause und im Beruf auf neue Weise tun, sich Ziele setzen, sich fordern…. das macht Spaß und hebt das Selbstbewusstsein und ist ein Schritt zum Flow-Erleben

- Geben
Freunden, Bekannten oder Fremden etwas Gutes tun, ein freundliches Gespräch, wirkliches Zuhören, anderen bei einer Aufgabe helfen, sich ehrenamtlich engagieren …. und wir spüren, wie wir uns zunehmend lebendiger, glücklicher, selbstbewusster, mit anderen und der Welt harmonischer verbunden fühlen.

 *1George Vaillant in Zeit online Interview (2010)
*2 Viktor Frankl: Das Leiden am sinnlosen Leben (1972, 2012)
*3 BarbaraFredrickson: Die Macht der guten Gefühle: Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert (2011)
*4 Robert A.Emmons: Vom Glück, dankbar zu sein. Eine Anleitung für den Alltag.
(2008)
*5 Bruce Headey, Jürgen Schupp, Gert Wagner: Lifegoals, non-zero sum goals promote happiness; zero-sum goals are detrimental. Implicationsfor set-point theory (2007)
*6 Viktor Frankl: Der Wille zum Sinn (1972, 2012)
*7 Mauss, Tamir, Anderson, Savino: Can seeking happiness make people unhappy? Paradoxical effect on valuing happiness (2010)
*8 Adam M. Grant:Geben und Nehmen (2013)
*9 Stephen G. Post / Jill Neimark: Why good things happen to good people (2007)

 

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Beste Ziele 

Ziele finden und erreichen mit den Erkenntnissen der Positiven Psychologie

Ziele geben uns Gelegenheit, unsere Stärken einzusetzen und andererseits ermöglichen unsere Stärken uns, Ziele zu erreichen. Ziele kanalisieren unsere Energie. Wir spüren, wie die Wirklichkeit zu etwas wird, das wir gestalten können und deren Gestaltung uns glücklich macht und wachsen lässt. Manchmal haben wir zwar eine gute Zielvorstellung, halten aber nicht durch, fangen nicht an, schützen und wertschätzen unser Ziel nicht. In der wirklichen Welt ist es so, dass wir auch fremde Ziele, die andere uns setzen, erreichen sollen – wie gehen wir damit um.Und andererseits, wie setzen wir für andere Ziele, die gute Eigenschaften haben?  Vielleicht wissen wir gar nicht,wie viel Erstrebenswertes es in unserem Leben gibt. Manchmal wissen wir auch nicht, was wir wollen. Wir dümpeln mehr oder weniger zufrieden durchs Leben,obwohl wir uns viel mehr entfalten, stärker für das Leben begeistern könnten, wenn da etwas wäre, das uns anzieht, etwas, das wir selbst entdeckt haben.

Warum Ziele uns glücklich machen

Wohlbefinden und Ziele hängen eng zusammen. Menschen, die ein Ziel haben, das ihnen etwas wert ist, denken kreativer, um es zu erreichen. Dieses Lösungsweg-Denken führt dazu, dass sie das Leben hoffnungsvoller betrachten. Menschen, die Hoffnung haben, sind glücklicher und arbeiten beharrlicher und flexibler auf ein Ziel hin.

Hoffnung zählt in der Positiven Psychologie zu den 24 Stärken, über die alle Menschen in ihrer individuellen Ausprägung verfügen, die wir erkennen und ausbauen können und die uns bei allem helfen, was wir tun, auch dabei, gute Ziele für unser Leben zu finden und zu verwirklichen. Sie sind so zu sagen das Rückgrat, so Prof. Martin Seligman von der Pennsylvania University, einer der Pioniere der Wissenschaft der Positiven Psychologie, der fünf Säulen des psychologischen Wohlbefindens:  positive Gefühle, Engagement und Interesse im Leben, positive Beziehungen, Sinn im Leben, Zielerreichung, durch die wir erfahren, dass wir mit unseren Fähigkeiten etwas bewirken können.

Ziel ist nicht gleich Ziel

Der positive Effekt ist allerdings nicht bei allen Zielen da. Es gibt Ziele, die uns gut tun, die unserer eigenen Motivation und unseren Werten entsprechen, die uns wirklich anziehen. Unsere Motivation für solche Ziele ist besonders hoch. Anders ist es mit solchen Zielen, die uns vorgeschrieben werden, die wir unter Druck erreichen sollen, die uns fremd sind, die wir uns nicht zu Eigen machen können.  In solche Situationen können wir in der Arbeit oder in der Schule geraten, aber auch durch unsere Meinung, wir müssten so sein wie andere, das haben, was andere haben. Andere Menschen spielen für unsere Ziele eine große Rolle. Sie können unsere Ziele fördern oder behindern oder bewirken, dass wir unsere Ziele aufgeben.

Machen wir uns darum bewusst, welche Menschen tun mir gut, wer unterstützt meine Ziele, wer ist ein Vorbild, wer ist ein aufrichtiger Förderer.

Umfangreiche Forschung belegt den Zusammenhang zwischen erhöhtem subjektivem Wohlbefinden und intrinsischen Zielen, also Zielen, die ich mir selbst setze; Streben nach Zielen, die mit meinen persönlichen Werten übereinstimmen; Annäherungszielen imUnterschied zu Vermeidungszielen (also: ‚da will ich hin‘ im Unterschied zu‚ das will ich nicht‘).

Die Selbstbestimmungstheorie ist ein moderner Ansatz, um Motivation und Verhalten von Menschen zu verstehen. Sie geht von drei psychischen Grundbedürfnissen aus: Menschen brauchen Verbindung zu anderen, sie wollen ihre Stärken und Fähigkeiten aktiv und erfolgreich einsetzen und selbst entscheiden, wo und wann sie das tun (Autonomie). Wenn unsere Ziele diese Grundbedürfnisse unterstützen, dann sind wir motiviert und brauchen keine äußeren Anreize für unser Verhalten. Wir tun das, was wir tun, weil es uns wichtig ist, wir Wert darin sehen oder einfach Freude daran haben.
Klar,dass hier auch diejenigen gefordert sind, die Ziele vorgeben: wie gut sind die Ziele erklärt, wie sehr werden die Grundbedürfnisse erfüllt.

Ich schaffe das

Wenn wir unsere Selbstwirksamkeitserwartung steigern, wenn wir einen Ich-schaffe-das-Denkstil entwickeln, werden wir das Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit erreichen.

Selbstwirksamkeit lässt sich auf vier Weisen steigern und sie helfen immer, wenn wir auf dem Weg zum Ziel ins Stocken kommen.

-Rollenmodelle
Geschichten von erfolgreichen Menschen. Vor allem Beispiele im täglichen Leben. Wer hat bereits ein ähnliches Ziel erreicht?

-Unterstützernetz
Jemand in unserem Leben, der an uns glaubt, dem wir vertrauen, der gezieltes und hilfreiches Feedback gibt, kann den Glauben an unsere eigenen Fähigkeiten stärken und uns helfen, Risiken zu wagen, die wir sonst nicht eingehen würden. Das können erfahrene Menschen, wirkliche Freunde, Mentoren, Coaches sein. Falsche ‚Förderer‘ sagen uns nur das, was wir hören wollen und ermutigen uns nicht, unsere Komfortzone zu verlassen.

-Mit Stress umgehen können
Schlechte Stimmungen, körperliche Missbefindlichkeiten sollen uns nicht davon abhalten, unser Bestes zu geben. Wenn wir lernen, mit solchen Beeinträchtigungen und Stress umzugehen, halten wir durch und bleiben optimistisch.

-Erfolgserlebnisse
Erfolge, die durch eigene Fähigkeiten entstehen, bauen Selbstwirksamkeit auf. Es sind die Siege auf dem Weg zum Ziel. Sie bekommen wir, wenn wir das große Ziel in Unterziele, kleine Abschnitte aufteilen und so wiederholt erleben, dass wir Schritte zum Ziele bewältigen. Sie stärken den Glauben an uns selbst.

Das Ziel ist was wert

Gute Ziele sind herausfordernde Ziele, die uns aus unserer Komfortzone locken, mit denen wir wirklich neue Erfahrungen machen. Wir genießen das Ziel und schätzen seinen Wert. Es führt uns zu weiteren Zielen.

Innehalten, um die Ziele, die wir erreicht haben, zu würdigen und zu feiern, gehört wesentlich zum Zieleverwirklichen dazu und hat nichts mit auf den Lorbeeren ausruhen zu tun.
Im Würdigen der Ziele können die positiven Emotionen sich ausweiten und wir können das Gute weiter ausbauen, Ziele finden, die aus dem erreichten Ziel resultieren, oder neue erkennen. Vor allem verhindern wir, dass wir von Ziel hetzen und dabei die Qualität guter, sinnvoller Ziele aus dem Blick verlieren.

 

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Ziele und Vorsätze: So gelingt es! 

Der dritte Montag im Januar gilt als der deprimierendste Tag des Jahres, da viele  Menschen, die sich zu Neujahr Ziele gesetzt haben, dann die ersten Rückschläge erleben, spüren, dass es mit der Zielverwirklichung im Alltag nicht so einfach ist, ihre erste Begeisterung weg ist. Das ist jedoch kein Grund, aufzugeben und Ziele als unsinnig oder lebensfremd abzutun. Wir sollten stattdessen die besten Ziele für uns suchen.   

Manchmal liegt es an den Zielen selbst, ob wir sie erreichen oder nicht.

Welche Eigenschaften haben Ziele, die wir mit hoher Wahrscheinlichkeit verwirklichen können?

Beste Ziele sind spezifisch und herausfordernd.

Die Zieleigenschaften „herausfordernd und spezifisch“ werden allerdings oftmals nicht ausreichend berücksichtigt. Die Eigenschaften sind aber unbedingt erforderlich, wenn wir ein Ergebnis erzielen wollen. Diese Merkmale in unserer Zielsetzung auszulassen, ist der Hauptgrund dafür, dass wir unsere Ziele nicht erreichen. Wenn wir die Ziele vage halten, kann das Ziel keine wirklich anziehende Kraft entwickeln und wir werden uns nicht mit ihm verbinden. Diese Falle vermeiden wir, indem wir uns herausfordernde, genau dargelegte Ziele setzen.

Studien haben gezeigt, dass zwei Zielmerkmale geringe Resultate zur Folge haben: Geringe Ziele und keine Ziele. Geringe Ziele sind solche, die uns nicht besonders fordern und uns kaum Anstrengung abverlangen. Solche mittelmäßigen Ziele führen zu mittelmäßigen Resultaten. Der Grund? Mittelmäßige Ziele unterstützen die Selbstachtung nicht genügend. Diese aber ist ein Element des psychologischen Wohlbefindens und die treibende Kraft, uns selbst zu fordern und aus unserer Komfortzone herauszulocken.

Beste Ziele sind Annäherungsziele.

Das meint, dass wir das Ergebnis wirklich haben wollen. Es macht uns Spaß, uns dafür zu engagieren. Wir wollen es schaffen, bis zum Mai so fit zu sein, dass wir zehn Kilometer an einem Stück joggen. Wir freuen uns auf jeden Schritt mehr, darauf, uns im Freien zu bewegen, an der Zehn-Kilometer-Marke anzukommen. Wir sagen: Da will ich hin. Wir sagen nicht: Ich will nicht vorher schlapp machen. Die positive Formulierung übt Zugkraft aus. Vermeidungsziele dagegen geben uns ein Resultat vor, das wir nicht wollen. Wir wollen beispielsweise den Kurs nicht als Schlechteste abschließen.

Ob wir ein Ziel als Annäherungs- oder Vermeidungsziel formulieren, bestimmt, wie wir über das Ziel denken und fühlen: verlockend bzw. bedrohlich, anziehend bzw. abstoßend; etwas, das wir wollen bzw. etwas, das wir nicht wollen. Mit Annäherungszielen sind positive Gefühle, Belohnungen verknüpft; mit Vermeidungszielen negative Gefühle. Annäherungsziele erschöpfen uns nicht, sie geben uns Energie; während das Vermeiden psychische und körperliche Energie verbraucht.

Beste Ziele sind selbstbestimmt.  

Wenn unser Ziel aus unserer innersten Überzeugung kommt, fühlen wir, dass wir selbst bestimmen, wie und warum wir uns für dieses Ziel anstrengen. Mir ist es persönlich wichtig, dass ich das Ziel erreiche, und darum trägt es zu meinem Wohlbefinden bei. Ich handele aus freiem Willen, fühle mich nicht kontrolliert und niemand muss mich antreiben, weil ich genau das tue, was ich tun will. Selbstbestimmt hat nichts mit egoistisch zu tun. Ziele, die anderen oder der Arbeit zugute kommen, können durchaus auch selbstbestimmt sein. Ein gutes Arbeitsklima trägt dazu bei, dass Angestellte ihrer Arbeit auch mit einem Gefühl der Selbstbestimmtheit nachgehen; anregender Schulunterricht macht das Lernen zum eigenen Ziel der Schüler. 

Beste Ziele sind messbar und geben Feedback

Eine Leistung messen zu können, macht es möglich, konkret zu wissen, wo wir stehen. 

Darum ist es sinnvoll, den Weg zum Ziel in Unterziele zu gliedern.

Das hält die Motivation aufrecht. Unsere Anstrengungen werden auf dem Weg zum großen Ziel belohnt, und die Unterziele fügen sich wie Bausteine zusammen.

Unterziele, messbare Schritte verhindern, dass wir von der Vorstellung vom Gesamtziel überwältigt werden. Wir können die kleinen (aber wesentlichen und anspruchsvollen) Schritte auf dem Weg zum großen Ziele feiern und an ihrer Erfüllung unseren Fortschritt feststellen.  

Beste Ziele fördern einander 

Um die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung zu steigern, sollten die Ziele nicht nur im Einklang mit unseren Vorstellungen und Träumen sein, sondern auch verträglich miteinander sein. Wenn wir darauf achten, dass die Ziele nicht in Konflikt miteinander sind, sondern stattdessen eine Hebelwirkung aufeinander ausüben, ist es einfacher, die Ziele zu erreichen

Wenn wir mehrere Ziele haben, die logisch nicht zusammengehen, machen wir bei keinen Fortschritte.

Zielkonflikte sind nie ganz auszuschließen. Unsere eigenen Ziele und fremde Ziele (ob in der Arbeit oder von Familienangehörigen) können sich widersprechen.

Fragen wir uns immer wieder, wie und mit wem wir Möglichkeiten finden, in denen Ziele eine förderliche Hebelwirkung aufeinander ausüben können.

Will ich eine Sprache lernen, hat der Urlaub im Land ebenso Hebelwirkung wie das Zusammensein mit Leuten, die auch die Sprache lernen oder sprechen oder einfach Leuten, die gern lernen. Konflikte gibt es, wenn ich gleichzeitig möglichst viel Zeit mit Leuten verbringen will, die lieber Party machen und abhängen.

Hebelwirkung meint auch, die Macht der positiven Ansteckung nutzen, indem wir nach förderlichen Einflüssen in unserer Umgebung suchen. Schließe ich mich den Kollegen an, die in die Kantine gehen oder denen, die die Pause für einen Spaziergang nutzen? Welche Gesellschaft tut mir für meine Zielerreichung gut?

Beste Ziele gehen Verpflichtungen ein

Wenn wir unsere Ziele unseren Freunden oder unserer Familie bekannt geben, steigt unser Gefühl der Verantwortung – für uns selbst, denn wir wollen das Gesicht nicht verlieren; - für diejenigen, die wir einbeziehen, denn wir wollen sie nicht enttäuschen. 

Wichtig sind Menschen, die unsere Ziele unterstützen. Gibt es jemanden in unserem Leben, der an uns glaubt, dem wir vertrauen, der gezieltes und hilfreiches Feedback gibt? So ein Mensch kann den Glauben an unsere eigenen Fähigkeiten stärken und uns helfen, Risiken zu wagen, die wir sonst nicht eingehen würden. Es sind nicht die Menschen, die uns nur das sagen, was wir hören wollen, die uns nicht ermutigen, unsere Komfortzone zu verlassen. Mit den „richtigen“ Menschen können förderliche Beziehungen der Zielerreichung entstehen. Jeder von uns kann wiederum einem anderen Menschen solch eine Unterstützung auf dem Weg zum Ziel geben.

Beste Ziele sind schriftliche Dokumente 

Schriftlich formulierte Ziele bewirken eine stärkere Selbstverpflichtung als der in lockeren Gedanken gefasste Vorsatz. Die schriftliche Formulierung sollte uns täglich sichtbar sein – auf dem Smartphone, am Kühlschrank, auf dem Schreibtisch, dem Bildschirmschoner. 

Ideal ist eine kurze Formulierung, ein einprägsames Motto als Titel. 

Beste Ziele zeigen Selbstmitgefühl.

Wir sollten uns nicht aufgrund des Misslingens eines Ereignisses beurteilen. Bleiben wir uns selbst gegenüber freundlich, ob wir Erfolg oder Misserfolg haben. 

Anstatt hart gegenüber uns selbst zu sein und unser Selbstwertgefühl allein darauf aufzubauen, ob wir alles, was wir im Leben anfassen, erfolgreich meistern oder nicht, sollten wir versuchen, uns wie einem Freund zu begegnen. Sprechen wird mit uns verständnisvoll und ermutigend wie mit einem Kind oder einem Freund. Versuchen wir, uns sanft zu korrigieren, entsprechend zu ermuntern und uns wieder auf den gewünschten Weg zu bringen. 

 Ziele genießen

Genießen macht mehr aus unseren Zielen und hilft uns, sie zu erreichen.

Innehalten, um die Ziele, die wir erreicht haben, zu würdigen und zu feiern, gehört wesentlich zum Zieleverwirklichen dazu und hat nichts mit auf den Lorbeeren ausruhen zu tun.

Im Würdigen der Ziele können die positiven Emotionen sich ausweiten und wir können das Gute weiter ausbauen, Ziele finden, die aus dem erreichten Ziel resultieren, oder neue erkennen. Vor allem verhindern wir, dass wir von Ziel zu Ziel hetzen und dabei die Qualität guter, sinnvoller Ziele aus dem Blick verlieren.

Wir genießen in der Gegenwart alles, was wir für unser Ziel tun, wenn wir es bewusst tun. Wir genießen die Vorstellung von der Zukunft, wenn wir den Weg zum Ziel detailliert planen und von seiner Verwirklichung träumen. Auf dem Weg zum Ziel schaffen wir ein wertvolles Erleben, an das wir uns gern erinnern werden. Wir können uns an jede bereits erreichte Etappe erinnern und das gute Gefühl dabei noch einmal auskosten und daraus neue Kraft für den weiteren Weg schöpfen. Und dass wir ihn weiter beschreiten, wird auf diese Weise immer wahrscheinlicher. 

 

 

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Positive Emotionen –Multitalente fürs Wohlbefinden  

Wesentlich für das Wohlbefinden ist, dass wir uns persönlich, subjektiv gut fühlen, gute Gefühle haben, positive Emotionen. Dieses Sich-gut-Fühlen ist weit mehr als ein Glücksgefühl und Zufriedenheit. Interessiert sein, Vertrauen haben, Zuneigung empfinden gehören ebenso dazu.

Barbara Fredrickson, die diesen guten Gefühlen in ihrem Buch „Die Macht der guten Gefühle: Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert“ auf den Grund geht, unterscheidet zehn positive Emotionen:
Freude, Dankbarkeit, Gelassenheit, Interesse, Hoffnung, Stolz, Vergnügen/ Genuss, Inspiration, Bewunderung, Liebe.

Die Fähigkeit zu positiven Emotionen ist in uns nicht ohne Sinn und Grund angelegt.
Sie helfen uns, uns selbst und andere verständnisvoller zu sehen, Fähigkeiten in uns und anderen zu erkennen, eine bessere Meinung von sich und anderen zu haben, kreativer und flexibler zu denken; sie erweitern unsere Wahrnehmung, geben eine breitere Aufmerksamkeit, lassen uns größere Zusammenhänge erkennen, das größere Bild („bigger picture“) sehen, optimistischer, großzügiger denken.
Kurz: Sie führen zu offeneren. positiven Wahrnehmungen, Einstellungen und Denkweisen und tragen so zum Aufbau neuer Fähigkeiten bei, die wiederum gute Gefühle fördern.
Das ist dasGroßartige an unseren positiven Gefühlen: Sie sind Ursache und Folge.
Das meint:Sie setzen etwas in Gang und sie belohnen uns.

Wenn ich mit Vergnügen und Gelassenheit an eine Sache herangehe, setze ich unbefangen mehr von meinen Fähigkeiten ein und komme zu einem guten Resultat. Wenn ich das tue, baue ich Vertrauen auf und kann stolz auf mich sein und denken, andere können das vielleicht auch, und folglich werde ich auch anderen mehr zutrauen. Ich kann mich später daran erinnern, wie ich voller Selbstvertrauen in die Situation gegangen bin und es erneut tun.

Positive Emotionen haben also eine Art Hebelwirkung, können eine Aufwärtsspirale in Gang setzen. Diese Eigenschaft hat Barbara Fredrickson in ihrer Broaden-and-Build-Theorie beschrieben: Ausweiten und Aufbauen. 

Da ich gerade von B. Fredrickson spreche, fällt mir ein Artikel von  B. Fredrickson et. al. ein: „The undoing effect of positive emotions” (2000). Es geht um dieses Ungeschehen-Machen (=„undo“). Wenn Menschen Stress ausgesetzt sind, erhöht sich der Herzschlag, geht der Blutzuckerspiegel nach oben, wird die Immunabwehr unterdrückt – das alles, um sofort reagieren zu können. Können sie die Veränderungen nicht regulieren,wenn der Stress vorüber ist, können sie krank werden. Positive Emotionen helfen zu entspannen und runterzukommen, können die Angriffe auf die Herzgefäße kompensieren. 

Selbstverständlich meint psychologisches Wohlbefinden nicht, dass wir immer gut drauf, glücklich sind. Enttäuschung, Zweifel, Trauer gehören ebenso zum Leben. Wichtig ist, dass solche schmerzlichen, negativen Emotionen nicht dauerhaft die Oberhand gewinnen und uns daran hindern, unser Leben aktiv und selbstbestimmt zu leben. Die positiven Emotionen sind der Gegenpol zum Negativen. Mit ihnen öffnen wir uns für das Leben.

Damit sie genügend Zugkraft haben, das Leben in eine gute Richtung zu bewegen, sollen mindestens dreimal so viele positive Emotionen wie negative da sein. Das istdie sogenannte Positivitäts- oder Losadarate.

 

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3 : 1 für  das Gute

Der brasilianische Mathematiker Marcel Losada und die Psychologie-Professorin Barbara Fredrickson fanden heraus, dass bei Menschen, die aufblühten, also hohe Werte für psychologisches Wohlbefinden in einem Fragebogen erzielten, das Verhältnis von positiven zu negativen Gefühlen immer über 2,9:1 lag. Sie werteten auch die Aussagen in Unternehmen aus. Dabei zeigte sich, dass in erfolgreichen Unternehmen der Anteil der positiven Aussagen in Mitarbeiter-Besprechungen mindestens 2,9mal so hoch ist wie der Anteil an negativen Aussagen.

Gute Teams, Erfolg, gute zwischenmenschliche Beziehungen, motivierende Schulen, unser Wohlbefinden brauchen dieses Plus an Positivem, weil negative Gefühle stärker wirken. (Das hat bestimmt jeder schon selbst erlebt.) Negative Gefühle haben durchaus ihren Sinn: sie sichern das Überleben, sorgen dafür, dass wir uns verteidigen, misstrauisch zurückziehen, die Flucht ergreifen. Sie neigen aber dazu zu überborden und stehen dann der Entfaltung unserer Möglichkeiten im Wege. Darum sollte ein Meeting mit positiven Informationen beginnen und Ermutigung für die Mitarbeiter beinhalten. Beginnen Sie darum den Tag mit einem freundlichen Gedanken und beenden Sie ihn auch so.  Wer Kritik am Partner anbringen will, sollte diese in 5 bis 6 positive, motivierende, anerkennende Aussagen verpacken … und so sollten wir auch mit uns selbst umgehen, wenn wir etwas an uns auszusetzen haben oder etwas an uns ändern wollen.

In Ehen, Freundschaften, guten Arbeitsbeziehungen, Schüler-Lehrer-, Kind-Eltern-Beziehung erweist sich eine Positivitätsrate von 5:1 oder 6:1 als optimal.

Diese zu erfüllen, verlangt uns einiges ab an Achtsamkeit. Wie sprechen wir mit anderen? Wie gehen wir mit uns selbst um?

Christopher Peterson, der sich intensiv mit den positiven Charakterstärken befasst hat, schreibt (in A Primer in Positive Psychology): „Wo liegen die blühenden Landschaften auf der menschlichen Landkarte? Sie liegen nördlich von neutral“. Eine schöne Metapher dafür, wie sehr das Wohlbefinden, und in diesem Falle der positive Stil, den die Losadarate beschreibt, mit Wachstum zu tun hat.

Selbstverständlich meint Positivität oberhalb 3 :1 nicht abzuheben oder zuckersüß miteinanderumzugehen. Ein Zitat aus „Flourish“ von Martin Seligman (S. 103): „Aber man sollte es mit der Positivität auch nicht übertreiben. Das Leben ist ein Schiff mit Segeln und einem Ruder. Liegt das Verhältnis über 13:1 und das Schiff hat kein negatives Ruder, dann flattern die positiven Segel ziellos im Wind und man verliert seine Glaubwürdigkeit.“

 

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Die Reset- oder Löschfunktion positiver Gefühle  

Mit einer positiven Grundhaltung gelingt es eher, die physiologischen Auswirkungen negativer Ereignisse (z.B. erhöhter Blutdruck) zu unterdrücken und  wieder auf das normale Niveau herunterzukommen. Prof. Barbara Fredrickson wies den Effekt in Experimenten nach, in denen die Versuchspersonen mit der Ankündigung, kurzfristig eine öffentliche Rede halten zu müssen, unter starken Druck gesetzt wurden. Als der Stress seinen Höhepunkt erreichte, bekamen die Personen Filme entweder mit heiterem, traurigem oder neutralem Inhalt gezeigt, die aber bei nicht gestresstem Menschen keine Auswirkung auf das Herzkreislaufsystem haben. Die Personen, die den positiven Film sahen, erholten sich am schnellsten. Diejenigen, die den neutralen oder negativen Inhalt sahen, brauchten am längsten. 
Schlussfolgerung von Barbara Fredrickson: "Ich bezeichne das als Löschwirkung oder Reset. Ein positive Einstellung kann die Herzkreislaufnachwirkungen negativer Ereignisse unterdrücken oder löschen. Sie können Ihr Herz kaum daran hindern, schneller und heftiger zu pochen, wenn Sie mit Stress oder negativen Ereignissen konfrontiert sind. Aber durch eine positive Haltung können Sie derlei Reaktionen im Zaum halten und beruhigen," (s. Die Macht der guten Gefühle)
Menschen, die in belastenden Situationen sich auf ihre positiven Gefühle und Stärken besinnen können, in der Lage sind, auf ihre positiven Ressourcen zurückzugreifen, sind "resilient", sie haben die Kraft mental und physisch wieder aufzustehen. Sie können sich schneller vom  Negativen lösen, die Wendung zum Besseren erkennen und den Löscheffekt positiver Gefühle nutzen. 
Wir können auch sagen, sie haben einen Positivitätsquotienten von mindestens 3:1. Und den können wir trainieren und aufbauen.  

 

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Negative Emotionen –rettend oder gefährlich?  

Negative Emotionen wie, Angst, Skepsis, Misstrauen, Enttäuschung, Wut, Ärger,Traurigkeit, Eifersucht, Neid, Schuld, Hass, Zweifel etc. sind  natürliche Gefühle; grundsätzlich ist nichts daran auszusetzen. Sie sind Reaktionen auf Bedrohliches, Verlust, Ungerechtigkeit, Angriff, Versagen.
Es wäre die totale Illusion, wenn auf der Negativseite der Positivitätsrate eine 0 stände.(s. vorheriger Eintrag). 

Negative Gefühle sind ebenso natürlich wir positive.
Nachteilig werden sie, wenn sie uns schaden, die Entfaltung unserer Wachstumspotenziale hemmen, anderen schaden. 

Unser Gehirn ist aber darauf programmiert, sich intensiver mit Gefahren, Unglücken, Angriffen zu beschäftigen, weil sie unser Überleben bedrohen.
„Alle glücklichen Familien ähneln einander; jede unglückliche ist auf ihre eigene Art unglücklich.“ Das ist zutreffend der erste Satz in „Anna Karenina“von Leo Tolstoi, der so wundervoll schrieb und der seiner Frau das Leben zur Hölle machte.

Wenn wir neugierig, aufgeschlossen, vertrauensvoll auf andere Menschen, Lebewesen, die Welt zugehen, werden wir unser Erleben, Wissen erweitern, Bekanntschaften undFreundschaften schließen, Fertigkeiten und Ressourcen für unser  Überleben aufbauen. Das ist der Unterschied zu negativen Emotionen: Negative Emotionen unterstützen das enge, sofortige Überlebensverhalten. So führt Angst zu Flucht, Kampf oder Erstarren, um das unmittelbare Überleben zu sichern, zeigt Neid uns, dass etwas an der Verteilung nicht stimmt, bewahrt Misstrauen uns davor, betrogen zu werden.  

Für den Augenblick sind negative Emotionen sinnvoll, denn sie ziehen die Aufmerksamkeit auf unmittelbare Bedürfnisse und Stressoren. Nur verselbständigen sollen sie sich nicht. Es ist kein Grund, immer auf der Hut zu sein, das augenblickliche Hassgefühl immer weiter zu pflegen, ängstlich vor jedem menschlichen Kontakt, jeder Herausforderung zurückzuweichen, weil wir uns einmal blamiert haben. Die ausschließliche Konzentration auf negative Erlebnisse und den damit verknüpften Gefühlen führt zu Angst, Depression, Feindseligkeit, Einsamkeit.
Betrachten wir Situationen, in denen wir Lösungen für menschheitsbedrohende Probleme oder auch Probleme im eigenen Leben suchen,  ist oft ein Stillstand festzustellen, weil Positivität fehlt. 

Während positive Emotionen das Bewusstsein erweitern und neue, vielfältige und entdeckende Gedanken, Verhaltensweisen, Entscheidungen begünstigen, engen negative Gefühle das Denken und Verhalten ein, konzentrieren es auf das bedrohliche oder verletzende Objekt.
Die Einengung reicht vom einfachen Stör‘-mich-jetzt-nicht bis Mann/Frau-sieht-rot,Tunnelblick oder zur Passage aus dem von Schuld, Groll, Hass, Neid getriebenen Akteuren in dem Gedicht „Archibald Douglas“ von Theodor Fontane, mit dem viele in der Schule konfrontiert worden sind: „wo immer die Welt am schönsten war, da war sie öd‘ und leer“. Hier werden diese Gefühle identifiziert, Graf und König stellen sich ihnen und schaffen es, sie mit Mut, Weisheit, Selbstkontrolle, Gerechtigkeit, Rationalität und vor allem dem Besinnen auf das Gute, Menschliche in der Beziehung auszuräumen und durch aufrichtige, neue Gefühle zu ersetzen.

Negative Gefühle und Gedanken zu erkennen und ihren Einfluss auf unser Denken, Fühlen, Handeln zu erkennen, das ist die Strategie sogenannter kognitiver Therapien und als Strategie für das tägliche Leben eine Maßnahme für mehr Wohlbefinden. 

Menschen, die mit den Widrigkeiten des Lebens gut zurechtkommen, Widerstandkraft = Resilienz haben, können mit ihren negativen Gefühlen so umgehen, dass sie ihr Leben nicht behindern.

Die Expertin für Resilienztraining Karen Reivich und  Andrew Shatté schreiben in  “The Resilience Factor – 7 keys to finding your inner strength and overcoming life hurdles” (2003):
„Resiliente Menschen haben, wie wir alle, Angst, Zweifel, aber sie haben gelernt, wie sie ihre Angst und ihre Zweifel stoppen und verhindern, dass sie sie überwältigen.“
Resilienz ist darum eine wichtige Eigenschaft des Wohlbefindens.

Wie entstehen negative Gefühle?

Sie entstehen aus Ereignissen, unseren Gedanken, Wahrnehmungen, unserem Verhalten, im Zusammenhang mit anderen Menschen. Ebenso wie positive Emotionen und positives Erleben.
Wir haben Einfluss darauf, ob wir auf der negativen Seite sind, neutral dahindümpeln oder dem Leben positiv, aufgeschlossen begegnen, Wohlbefinden entfalten. Wesentlich dabei sind unsere Stärken.

„Wenn seine Mutter sah, dass er als junger Bursche in schlechter Stimmung war, pflegte siezu sagen: ‚Du siehst angefressen aus. Warum gehst du nicht los und hilfst jemandem?‘ Diese Maxime von Mama Post wurde empirisch gründlich getestet, und wir Wissenschaftler haben gezeigt, dass eine freundliche Handlung mehr zur Steigerung des eigenen Wohlbefindens beiträgt als jede andere Übung, die wir getestet haben.“ (Martin Seligman „Flourish: Wie Menschen aufblühen“ (2012)

Die Freundlichkeitsübung hat in der Positiven Psychologie einen hohen Stellenwert.
Freundlichkeit ist eine unsere Stärken, die wir trainieren können und eine Säule des menschlichen Wohlbefindens. Übungen der Positiven Psychologie sowie zu den Strategien gegen blockierende Emotionen finden Sie in meinen Angeboten.

 

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Warum das Beseitigen von Widrigkeiten allein nicht glücklich macht

Die Antwort hängt damit zusammen, wie negative Emotionen funktionieren: sie öffnen nicht, sie geben kein größeres Bild, keine Zukunftsorientierung.

Hätte im Beispiel meines vorherigen Eintrags Mama Post darauf gewartet, dass die Stimmung ihres Sohnes sich wieder aufheitert, bevor er freundlich ist, wäre es zu Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit möglicherweise gar nicht gekommen.
Das ist der Gedanke, der dem Acceptance Commitment-Ansatz (Akzeptieren & Verpflichten) zugrundliegt: Akzeptieren, dass ich ein Problem habe und dennoch handeln, mich in meinen Beziehungen, meinem Leben engagieren, mich um mich kümmern.

Es geht also nicht nur darum, Störungen und Widrigkeiten zu erkennen, sondern vor allem darum, Potenziale zu erkennen und zu aktivieren.

Die gute Botschaft aus dieser Erkenntnis ist, dass wir nicht warten müssen, bis alle Störungen in unserem Leben beseitigt sind. Wir können als „unperfekter“ Mensch beginnen. Das war auch die Idee des japanischen Psychiaters Shoma Morita.

Belastende Umstände, sehr negativistische oder gleichgültige Umgebungen und eigene Gedanken können lähmen, die eigenen Kräfte nicht zur Entfaltung kommen, vergessen und verkümmern lassen; darum ist es auch wichtig, dass andere ermuntern, Chancen geben.

Hier fällt mir der Befähigungsansatz von Martha Nussbaum ein.

Zunächst noch einmal zu MartinSeligman. Bevor er die Positive Psychologie als eigene Disziplin benannte, hatte er als Psychotherapeut festgestellt, dass seine Patienten sich zwar etwas besser fühlten, aber irgendwie leer. Seine Erkenntnis daraus ist: Die Maßnahme, das, was nicht stimmt, in Ordnung zu bringen reicht nicht. Wir müssen das, was stark ist, aufbauen. „Build what’s strong!“ Nicht nur: „Fix what’s wrong!“

„Die Entfernung der hinderlichen Bedingungen jedoch ist bei Weitem nicht dasselbe wie der Aufbau von förderlichen Umständen. Wenn wir aufblühen und Wohlbefinden haben wollen, dann müssen wir in der Tat unser Elend minimieren; zusätzlich brauchen wir jedoch auch positives Gefühl, Sinn, Zielerreichung und positive Beziehungen. Die Fähigkeiten und Übungen, die diese aufbauen, sind völlig andere als jene, die unser Leiden minimieren.“ (Martin Seligman,„Flourish“, S. 85)

 

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Ist psychologisches Wohlbefinden mehr als Glück?

Psychologisches Wohlbefinden ist mehr als Glück. Glück im Konzept des Wohlbefindens ist eine positive Emotion.
Wenn von Glück die Rede ist, ist meist das subjektive Sich-gut-Fühlen gemeint. Es betrifft das, was wir mögen und das zu Lebenszufriedenheit führt.

In einigen Wohlbefindensmodellen geht es hauptsächlich um dieses subjektive Wohlbefinden.
Andere Modelle beziehen zusätzlich zum subjektiven Wohlbefinden das objektive Wohlbefinden mit ein, das sich auf soziale, materielle, gesundheitliche Aspekte bezieht.

Subjektive und objektive Aspekte können sich widersprechen.
Martin Seligman berichtet in „Flourish“ von seiner Bridge-Leidenschaft, die ihn Freude, Flow, Siege erleben lasst, stellt den objektiven Sinn aber in Frage.
Totale Siegertypen wollen immer nur siegen, ein Ziel nach dem anderen erreichen, ohne dabei noch Freude zu empfinden, ohne nach dem Sinn und dem guten Beitrag zur Gesellschaft zu fragen.

Die eine kann wohlig abhängen, wenn sie, vor dem Bildschirm liegend, einen Schokoriegel nachdem anderen vertilgt, anschließend im Hinblick auf ihre Lebenszufriedenheit aber ein schales Gefühl haben und ihr gesundheitliches (objektives) Wohlbefinden auf Dauer beeinträchtigen. Der andere kann wie besessen lernen, während dieser Zeit ungenießbar sein, sich null bewegen, seine Freunde vergessen, soziale Beziehungen beschädigen, und dann die Prüfung bestehen, was subjektiv und objektiv Sinn macht, objektiv Erfolg bringt.

Achtung: Das subjektiv beeinträchtigte Befinden ist nicht nötig, denn wir haben unsere Stärken und gute Übungen.

Wieder andere Wohlbefindensmodelle stellen das, was wir für ein gutes Leben brauchen, in denVordergrund. Das tut beispielsweise Martha Nussbaum und das Stufenmodell zur Selbstverwirklichung von Abraham Maslow geht auch von unseren Bedürfnissen aus.

Wenn Sonja Lyubomirsky von „Glücksaktivitäten“ spricht, meint sie das subjektive Wohlbefinden und nicht nur das Sich-glücklich-Fühlen. Und dieses subjektiveWohlbefinden hat Auswirkungen, die letztlich auch auf die Gemeinschaft ausstrahlen und auch objektiv tatsächlich „gut“ sind. Das ist die Wirkung der positiven Emotionen.
Auch wennSonja Lyubomirsky von Glücklich-Sein und Zufriedenheit spricht, lassen sich in ihren Glücksaktivitäten unschwer die Elemente positive Gefühle, Engagement (mit Flow), Beziehungen, Sinn, Ziele, Resilienz, Optimismus erkennen.

Martin Seligman definierte in seiner Theorie des Authentischen Glücks das Glück durch die Elemente positive Emotionen (subjektiv), Engagement (wozu Flow gehört) undSinn.

Mit seinerTheorie des Wohlbefindens geht er weiter. PERMA lautet seine Formel. Wohlbefinden umfasst das subjektive Element positive Emotionen (P) und die Elemente Engagement (E), Beziehungen (R), Sinn (M), Ziele und Leistung (A), die sowohl subjektiv als objektiv sein können.

„Wohlbefinden ist eine Kombination eines guten Gefühls mit einem tatsächlichen Vorhandensein von Sinn,  guten Beziehungen und Erfolg.Wir wählen unseren Kurs im Leben so, dass wir möglichst viel von allen fünf Elementen erlangen.“ (Martin Seligman, „Flourish“, S. 46)

„Wäre unser persönliches zukünftiges Glücklichsein unser einziges Ziel, dann würden wir unsere alt gewordenen Eltern auf einer Eisscholle aussetzen und dem Tod überlassen.“ (Martin Seligman, „Flourish“, S. 48)

Das Überleben der Menschen ist nicht Feindseligkeit und Aggression zu verdanken, sondern unserer Fähigkeit zu Mitgefühl. Besinnen wir uns auf Charles Darwin.

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Beziehung zu anderen Menschen 

Zitat aus Martin Seligman „Flourish“ (S. 36): „Jean-Paul Sartre und seine Anhänger gleich nach dem Zweiten Weltkrieg mögen Sartres existenzialistisches  Theaterstück Geschlossene Gesellschaft für sehr tiefgründig gehalten haben, doch heute erscheint es uns wenig durchdacht (“Die Hölle, das sind die anderen“) und beinahe sinnlos, denn  heute ist es allgemeiner Konsens, dass Verbindungen mit anderen Menschen und Beziehungen das sind, was dem Leben Sinn und Bedeutung gibt.“

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Geboren, um gut zu sein

Dacher Keltner, Psychologie-Professor und Gründer des Greater Good Science Center, stellt die These auf, wir Menschen seien dazu geboren, Gutes zu tun.

Bereits Darwin hatte den Gedanken, dass Gutes dem Überleben der Menschheit förderlich ist und sah darin eine treibende Kraft der Evolution. Ich denke, dass das zu den wichtigsten Dingen gehört, die wir lernen, lernen können, lernen sollten – unsere Lebensaufgabe, unser Lebenssinn. Liebe, Dankbarkeit, Bewunderung, Vergebung, so genannte „Bienenstockgefühle“, führen nicht nur zu subjektiv empfundenen guten Emotionen, sie pflegen und verbessern auch das menschliche Miteinander. Sie wirken also subjektiv und objektiv.

Mitgefühl, so Dacher Keltner, ist eine unserer stärksten Emotionen, und entscheidend für die Beziehung zu anderen.

Dieses Bestreben, gut zu sein, das Gute in uns zum Ausdruck zu bringen, sieht er auchin dem Yen des Konfuzius, dieser Kombination aus Freundlichkeit, Menschlichkeit, Respekt.
Emotionen sind die Quelle unseres moralischen Empfindens (wörtlich schreibt DacherKeltner „moralischer Bauch).

Das Gesetz der Evolution, wenn wir dazu geboren sind, gut zu sein, ist nicht das Überleben des Stärkeren. Im Abenteuer der menschlichen Evolution werden letztlich die Freundlichsten überleben, da wir eine zu Sorge und Mitgefühl fähige – und wohl auch beauftragte -  Spezies sind.
(gelesen in: Dacher Keltner: Born to be good: The scienceof a meaningful life,  2009)

Dacher Keltner („Professor Teddybär“) in zeitonline 3/2010:
Wahre Superstars sind wir, wenn wir das Gute in uns aktivieren.

Ich meine,„Superstars“ für das Gute zu sein, “Born to be good” ist nicht nur gut, sondern klingt auch echt cool … und ist somit allen Altersgruppen vermittelbar.

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Wohlbefindensaktivitäten / Glücksaktivitäten

Sonja Lyubomirsky erforscht seit 1989, was uns glücklich und zufrieden macht – und das ist zu 40% das, was wir selbst beeinflussen können. 

Für alle, die ihr inspirierendes Buch „Glücklich sein: Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben“ (2008) noch nicht gelesen haben, hier ihre wissenschaftlich fundierten Empfehlungen, ihre 12 „Glücksaktivitäten“:

Seien Sie dankbar.

Seien Sie optimistisch.

Vermeiden Sie Grübeleien und soziale Vergleiche.

Seien Sie freundlich und hilfsbereit.

Pflegen Sie soziale Beziehungen.

Entwickeln Sie Bewältigungsstrategien für schwere Zeiten.

Lernen Sie zu vergeben.

Verschaffen Sie sich Flow-Erlebnisse.

Genießen Sie die Freuden des Lebens.

Setzen Sie sich Ziele.

Beschäftigen Sie sich mit Religion/Spiritualität.

Sorgen Sie für Ihren Körper (körperliche Aktivität, Meditation)

Diese Aktivitäten  nutzen unsere positiven Charakterstärken und fördern die Elemente des Wohlbefindens.

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Flow fürs Wohlbefinden    

Toko Shinoda war im Jahr 2015 sage ist schreibe seit 103 Jahren auf dieser Erde. Ihr Buch ihrer Lebenseinsichten wurde in Japan ein Bestseller. Ich denke, sie hat beim Malen mit demTuschepinsel jede Menge Flow erlebt … und der wird gewiss zu ihrer Langlebigkeit und ihrer geistigen Lebendigkeit beigetragen haben.

Wir müssen nicht so weit blicken, um Flow-Erleben nahe zu sein. Kinder, sind beim Spielen total selbstvergessen, zeitvergessen und damit beschäftigt, ihre Fähigkeiten zu üben und zu erweitern. Der Friseur, der voller Hingabe das Haar schneidet und formt, die Hobby-Gärtnerin, die sich vom Beet nicht trennen kann, die Übersetzerin, die den kniffeligen französischen Text in ein wohl- und selbstverständlich klingendes Deutsch bringt, der Youtuber, der x-mal inszeniert und nicht merkt, wie drei Stunden im Flug vergehen, die Fotografin, die den Ärger zu Hause vergisst, während sie voll konzentriert sich Einstellung für Einstellung dem perfekten Winkel annähert, der Programmierer, der weiß, dass er das Problem lösen wird und durch nichts ablenkbar ist, wenn er Schritt für Schritt vorankommt und dabei wertvolles Knowhow sammelt, die Leserin, die alles um sich herum vergisst, während sie in die Geschichte eintaucht und jedes Wort absorbiert und zum inneren Bild werden lässt, und und und …. Wenn diese Menschen im Flow während ihres Tuns auch nicht sagen können, wie sie sich fühlen (denn sie sind ja voll auf ihr Tun konzentriert), danach spüren sie es:glücklich und erfüllt. Flow trägt wesentlich zum Wohlbefinden bei. Wir können allerdings nicht mal eben in den Flow gehen, um uns zu erholen. Flow hat mit Fähigkeiten und Fertigkeiten zu tun. Mihalyi Csikszentmihalyi, der Entdecker des Flow-Phänomens, sagt, es gibt keine Abkürzung zum Flow, in dem Bewusstsein, Fähigkeiten und Tun zusammenfließen, in dem wir wachsen, uns selbst und die Zeit, die zur Unruhe und Konzentrationsmangel beiträgt, vergessen. Wer regelmäßig Flow erlebt, ist gegen Burnout geschützt, kann mit Stress besser umgehen, hat mehr Selbstachtung. Warum? Weil wir im Flow mit unseren Fähigkeiten, unserer eigenen Entfaltung eng in Berührung kommen und das Gefühl haben, mit diesen Fähigkeiten unser Ziel zu erreichen. Das Ziel als das eigene wahrzunehmen, das ist ein weiteres Element, des Flows. Können wir das am Arbeitsplatz, in der Ausbildung, der Schule? Passen Fähigkeiten und Herausforderungen so gut zusammen, dass Flow einsetzen kann, um wie im Fluss zu sein und dabei immer ein Stück weiter in der eigenen Entwicklung zu kommen?

Im Flow haben wir Zugriff auf unser gesamtes Potenzial. Erfolge gelingen, ohne dass uns die Leistung dazu anstrengt.

Menschen, die auch in einem stressigen Job häufig Flow erleben, leiden seltener an Stresskrankheiten; denn im Flow haben sie das Gefühl, mit ihren Fähigkeiten die Anforderungen unter Kontrolle zu haben, befreien sie sich vom Zeitdruck (weil das Zeitgefühl aufgehoben ist) und fühlen sich nicht angestrengt.

Im Flow gelangen wir mit Leichtigkeit und Freude zu Spitzenleistungen in unserem jeweiligen Lebensbereich. Wir erleben Energie, Leidenschaft, Lebensfreude.
Flow ist diePrävention gegen Burnout und negative Gedanken.

„In der Tat besteht einer der wichtigsten Beiträge der Flow-Theorie in der Erkenntnis, dass aus psychologischer Sicht Arbeit und Spiel nicht zwangsläufig Gegensätze sind.“(Mihaly Csikszetmihalyi in „Dem Sinn des Lebens eine Zukunft geben“ (1993, S.384)

Flow können wir in vielen Tätigkeiten erleben, was aber nicht heißt, dass er uns einfach zufällt. Er verlangt, achtsam und offen zu sein, Interesse, Fähigkeiten aufzubauen, Gelegenheiten zu finden, unsere Fähigkeiten einzusetzen und weiterzuentwickeln, sich Herausforderungen zu stellen.

Der deutscheTitel eines Buches von Mihalyi Czikszentmihalyi ist „Das Flow-Erlebnis: Jenseits von Angst und Langeweile im Flow aufgehen“ (2010). Langeweile resultiert, wenn unser Können immer nur unterdurchschnittlich gefordert ist. Angst setzt ein, wen n ein untrainierter Schwimmer den Ärmelkanal durchschwimmen soll, sprich: wenn die Anforderungen die Fertigkeiten überfordern. Passen Anforderungen und Fertigkeiten auf einem persönlichen hohen Niveau gut zusammen, ist das Flow. (Ich kann alles aufbieten, was ich kann … und das wird immer mehr.)

„‘Flow: DasGeheimnis des Glücks‘ zeigt, dass Glück nicht vom Himmel fällt. Die Fähigkeit zum Glücklichsein und Flow zu empfinden, steckt in jedem. Mit Konzentration auf das, was man tut, kann man den Zustand des Flow erreichen. Ein tolles Buch, das Lust auf Leistung macht.“ Modedesigner Wolfgang Joop über das Buch von MihalyiCsikszentmihalyi

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Ist Flow gut?

Routinearbeiten in Beruf oder Haushalt absorbieren oft nur einen Teil unserer psychischen Energie. Unsere Gedanken sind oft woanders, manchmal bei Geschehen, die uns beunruhigen, Ängste und Zweifel auslösen, Ärger aufkommen lassen. Wir sind nicht eins mit unserem Tun … und verpassen die Vorzüge des Flow-Erlebens, in dem Tun und Bewusstsein zusammenfließen. Andererseits kennen wir diese Zeiten, in denen wir ganz mit dem, was wir tun, verschmelzen, alles um uns herum vergessen. Wir führen die Tätigkeit um ihrer selbst willen gern aus und können es gar nicht erwarten, sie aufzunehmen: wir sind intrinsisch motiviert. Sie fordert unsere Fähigkeiten, und wir spüren, wie diese genau passend gefordert sind – nicht zu wenig, nicht zu viel, aber so,dass sie immer weiter wachsen. Wir sind im Flow. Flow-Erlebnisse tragen zum psychischen Wohlbefinden bei.

Der Entdecker des Flow-Erlebens, Mihaly Csikszentmihalyi,untersuchte, wie wir in Beruf, Freizeit, Hausarbeit möglichst viel Flow erleben können. Hoher Zeitdruck im Beruf, unklare Ziele, unzureichende Fähigkeiten (da mangelnde Aus- und Fortbildung), zu hohe oder zu geringe Herausforderungen sind Hindernisse für das Flow-Erleben.

Mihaly Csikszentmihalyi rät:
Führen Sie Alltagstätigkeiten, ob im Beruf oder zu Hause, sorgfältig und bewusst durch.
Suchen Sie sich ein Hobby, möglichst mit Gleichgesinnten. So tauschen Sie eine passive Freizeit (durch Fernsehprogramme zappen; hundertmal liken, ohne dass der Inhalt für Sie wirklich Bedeutung hat; shoppen im Netz aus Langeweile ….) in sozialer Isolation gegen eine aktive, gesellige Freizeitgestaltung, in der Sie Ihre Fähigkeiten (ob in Sport, Spiel, sozialen Projekten) einsetzen und erweitern.
Aber, so schränkt Prof. Csikszentmihalyi ein, „Flow ist kein Garant für ethische Richtigkeit“* (ebenso wie subjektiv erlebter Sinn).

„Kaiser Nero soll beim Anblick der brennenden Stadt Rom in Ekstase geraten sein; man weiß, dass er genussvoll beobachtete, wie sich die Gladiatoren in der Arena gegenseitig umbrachten und wie die Löwen unschuldige Christen zerfleischten. Viele Physiker, die am Manhattan-Projekt beteiligt waren, empfanden es als großes Glück, dass sie die ungeheuer spannende Frage lösen durften, wie man eine Atombombe baut. Tausende von Menschen fliegen jede Woche nach Las Vegas und zu den Kasinos, die im ganzen Land wie Pilze aus demBoden schießen, unfähig ihrer Spielsucht zu widerstehen.“*

Oder: „..die Begeisterung eines Kindes, das sich plötzlich auf einem wackeligen Fahrrad halten kann, ohne herunterzufallen, oder eines jugendlichen Straftäters, dem es zum ersten Mal gelingt, eine Brieftasche zustehlen, sind typische Beispiele für das, was Flow bedeutet.“*

„Die Beispiele zeigen, dass man Flow leider nicht nur bei konstruktiven, sondern auch bei zerstörerischen Aktivitäten erleben kann.“*

Die Freude am eigenen Tun und die Fortschritte dabei reichen also allein nicht aus, um menschlich Gutes zu tun. „Es reicht nicht, dass man sein Leben einfach bloß genießt, egal  wie. Die eigene Lebensweise muss auch die Ordnung und nicht das Chaos erhöhen. Wer zu einer höheren Harmonie beitragen will, muss ein komplexes Bewusstsein entwickeln. Ein komplexes Bewusstsein ist nicht nur eine Frage von Intelligenz oder Wissen, und es ist nicht nur eine kognitive Eigenschaft – es umfasst auch die Emotionen und Handlungen eines Menschen. Zu einem komplexen Bewusstsein gehört, dass man seine individuellen Fähigkeiten erkennt und beherrscht und dass man seine Ziele und Wünsche, seine Gefühle und Erfahrungen in Einklang bringt, zum eigenen und zum Wohl anderer.“*

Unsere Stärken und Tugenden können Flow in eine gute Richtung lenken Aber auch hier gilt eine Einschränkung: Stärken in für das menschliche Miteinander  förderlicher Ausprägung. Fanatische Gerechtigkeitsausübung, emotionale Intelligenz, um den anderen besser einzuschätzen und dann für eigeneZwecke ausnutzen zu können, sind ebenso wenig moralisch und ethisch gut wie mangelnde Fairness. Die Tugenden und Stärken können optimal zusammenspielen und sich gegenseitig fördern und regulieren, so dass wir das Beste in uns entfalten und wirklichen guten Flow erleben können.

*Mihaly Csikszentmihalyi: Dem Sinn des Lebens eine Zukunft geben: Eine Psychologie für das dritte Jahrtauend (1993) (S. 271, 307)

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Unsere Stärken:  die Bestausstattung für unser Leben

Die Psychologen Christopher Peterson und Martin Seligman beschreiben in „Character Strengths and Virtues“ 24 Charakterstärken. Sie sind die Wege zu den sechs Tugenden Wissen & Weisheit, Menschlichkeit &Liebe, Mut, Gerechtigkeit, Mäßigung, Transzendenz. Das Besondere ist: Diese Stärken werden kulturübergreifend als solche angesehen, gelten weltweit als wünschenswert, ob in Grönland oder Sydney, in der Bibel, der Bhagdvad Gita, vielen Philosophien.

Wir alle verfügenüber diese 24 Charakterstärken in unterschiedlicher, individueller Ausprägung.Die eigene Konstellation von Charakterstärken zu kennen, ist ein erster Schrittzu einem glücklichen, authentischen Leben.

Unter www.charakterstaerken.org  finden Sie einen Fragebogen, mit dem Sie Ihre Charakterstärken kennen lernen.
Sie können auch eine von mir entwickelte Kurzform im Download (Stärken-Test) nutzen.

Es ist wissenschaftlich belegt, dass Menschen, die ihre Stärken häufig und immer wieder auf neue Wiesen anwenden, ein glücklicheres, erfüllendes Leben führen, mehr Wohlbefinden erleben, aufblühen.

Wir alle können unsere Stärken erkennen, trainieren, entfalten!

Die Stärken im Einzelnen:

WEISHEIT UND WISSEN – Kognitive Stärken, die mit dem Aneignen und Anwenden von Wissen zusammenhängen

Neugier
interessiert sein - nach Neuem suchen - offen für Erfahrungen sein - Lust am Entdecken und Erforschen

• Kreativität
Originalität, Ideenreichtum in allen Lebensbereichen - auf neue und produktive Weise denken, um Sachverhalte und Dinge zu erfassen und zu handeln - praktische Intelligenz

• Lust am Lernen
Aneignen und Beherrschen neuer Fähigkeiten - aus eigenerMotivation lernen

• Urteilsvermögen
kritisches Denken – Aufgeschlossenheit - Sachverhalte von allen Seiten betrachten - nicht nach der ersten besten Lösung greifen – bereit sein, die eigene Meinung zu ändern

• Soziale Intelligenz
Emotionale Intelligenz, Persönliche Intelligenz - die Bedürfnisse und Gefühle der anderen Menschen und von sich selbst erkennen -wissen, was in bestimmten sozialen Situationen zu tun ist - erkennen, was im anderen vorgeht - erkennen, wie und wo man selbst seine persönlichen Stärken oder Fertigkeiten und Talente am besten einsetzen kann.

• Weitblick
Weisheit - andere klug und umsichtig beraten - die Welt in einer Weise betrachten, die einem selbst und den anderen Sinn gibt   

MUT – Emotionale Stärken, die mit Willenskraft verbunden sind, um Ziele gegen äußere oder innere Widerstände zu erreichen.

• Tapferkeit
Entschlossenheit, sich nicht von Bedrohlichem, Herausforderungen,Schwierigkeiten, Schmerzen abschrecken lassen -  für das Richtige eintreten, auch gegen Widerstand -  nach den eigenen Überzeugungen handeln

• Ausdauer
Beharrlichkeit, Fleiß – zu Ende bringen, was man angefangen hat - durchhalten auch gegen Hindernisse - Freude daran haben, Probleme vollständig zu lösen

• Aufrichtigkeit
Authentizität, Ehrlichkeit - in seinem Verhalten echt und stimmig sein - sich nicht verstellen - Verantwortung für die eigenen Gefühle und Handlungen übernehmen

MENSCHLICHKEIT – Zwischenmenschliche Stärken, sich um andere kümmern und anderen Menschen freundlich begegnen

• Lieben & Geliebt werden
Bindungsfähigkeit – enge Beziehungen schätzen und zulassen -tiefe Gefühle haben und erwidern

• Menschenfreundlichkeit
Großzügigkeit - Aufmerksamkeit für den andern – Mitgefühl - altruistische Liebe - anderen Gutes tun - ihnen helfen - sich um sie kümmern, obFamilienmitglied, Freunde, Kollegen, Fremde

GERECHTIGKEIT – Stärken für eine intakte Gemeinschaft  

• Teamfähigkeit
Gemeinschaftsgeist - Verantwortung für die Gemeinschaft - Loyalität -  als Mitglied einer Gruppe oder eines Teams gute Arbeit, seinen Beitrag leisten - loyal gegenüber der Gruppe sein

• Fairness
alle fair und gerecht behandeln - persönliche Gefühle beim Urteil über andere heraushalten - jedem eine faire Chance geben

•Führungsfähigkeit
Leadership- die Gruppe, zu der man gehört, anspornen, die Aufgaben zu erledigen – auf ein gutes Klima in der Gruppe achten - Gruppenaktivitäten organisieren – dafür sorgen, dass alle an einem Strang ziehen   

MÄßIGUNG – Stärken, die Überreaktionen entgegenwirken

• Selbstbeherrschung
Selbstkontrolle - Selbstregulation - darauf achten, was man fühlt und tut - diszipliniert sein - Zusammenhang mit Willenskraft

• Besonnenheit
Vorsicht - sorgfältig bei den eigenen Entscheidungen sein - keine unwägbaren Risiken eingehen - nichts sagen oder tun, was einem später leid tun könnte

• Bescheidenheit
Demut - sich nicht als einzigartiger ansehen als man ist 

TRANSZENDENZ – Stärken, die Verbindung zu einem größeren Universum begünstigen und Sinn geben

• Begeisterung
Vitalität – Lebendigkeit – Eifer –Tatkraft - Energie -  Begeisterung für das Leben - nichts halb oder halbherzig tun - leidenschaftlich

• Dankbarkeit
die guten Dinge, die uns begegnen, wahrnehmen und dankbar für sie sein - sich Zeit nehmen, um Dankbarkeit auszudrücken

• Hoffnung
Optimismus, Zukunftsorientierung - für die Zukunft das Beste erwarten und darauf hin arbeiten, es zu erreichen

• Bereitschaft zum Verzeihen
Vergebungsbereitschaft - sich selbst und anderen vergeben - jedem eine zweite Chance geben - keine Rache, keine lähmenden Schuldgefühle

Sinn für das Schöne und Erhabene
staunen können  - Schönes, einzigartige Leistungen in unterschiedlichen Lebensbereichen wahrnehmen und schätzen

• Humor
trotzdem lachen - andere zum Lachen bringen - Unbeschwertheit zulassen

•Spiritualität
Glaube, Sinn - vom höheren Zweck und Sinn des Universums überzeugt sein - Vorstellungen vom Sinn des Lebens haben

    

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Begeisterung und Lebensfreude

Gefühlt hören wir heute mehr von Burnout als von Lebensfreude, Eifer, Begeisterung.
Eine treffende Beschreibung für Burnout, Sich-ausgebrannt fühlen, ist Anti-Begeisterung. Und die kann viele Ursachen haben: zu viele Anforderungen bei derArbeit, im Alltag, zu wenig selbstbestimmtes Handeln, überwiegende Fremdbestimmtheit, keine Gelegenheit, Neues zu lernen, keine Unterstützung in der Unternehmensleitung oder in der Familie, keine freundlichen Beziehungen zwischen den Kollegen, keine Zeit, etwas wirklich konzentriert zu Ende zu bringen, zu wenig körperliche Aktivität, keine wirklich innige, offene, druckfreie Beziehungen zu anderen Menschen, unsere Gedanken, die uns einreden: das schaffst du nicht, du wirst versagen, du hast keine Zeit für ein Leben außerhalb der Arbeit, für dich selbst, du bist erschöpft, du bist ausgebrannt,etc.

Sie wissen wahrscheinlich einiges über Stress, Burnout.
Wissen Sie auch, dass Begeisterung ein wesentliches Element des psychischen Wohlbefindens ist? Können Sie es sich vorstellen, wie sich Begeisterung, Vitalität, Dynamik, Lebensfreude, Elan, Leidenschaft, Engagement anfühlen? Wie es ist, etwas mit Spaß, Eifer, Gusto, von innen heraus zu tun? Wie oft erleben Sie diesen Lebenseifer? Kennen Sie ihn? Wie können Sie diese Energie aufbauen, wiedergewinnen? Ein erster Schritt ist, sich damit zu beschäftigen … und zwar viel mehr als mit dem Wissen über Stresskrankheiten und Burnout. Das tut dem Gehirn gut. Denn je häufiger wir etwas wiederholen, umso stärker werden die neuronalen Verknüpfungen im Gehirn. Sie merken das vielleicht an sich blitzschnell ausbreitenden Katastrophenvorstellungen in Ihrem Kopf. Aber es kann auch umgekehrt sein. Geben Sie sich nicht damit zufrieden, die Hektik, die Versagensangst, das Überforderungsgefühl kurzfristig zu beruhigen. Sorgen Sie für Ihr Wohlbefinden, dann fallen auch die Dinge leichter, die nicht unbedingt unsere Favoriten sind (und die nun einmal im täglichen Leben da sind).

Sonja Lyubomirsky („Glücklichsein:Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben“) hat wissenschaftlich nachgewiesen, dass Menschen, denen es gut geht, die ein solides Wohlbefinden haben, ihre Arbeit besser erledigen, selbst wenn sie nicht viel Spaß macht, als Menschen, denen es schlecht geht, sogar, wenn diese ihren Lieblingsjob machen. Unser Wohlbefinden sorgt dafür, dass wir uns weniger erschöpft fühlen.(Selbstverständlich kann nicht nur die Arbeit unsere Energie übermäßig verbrauchen. Es gibt auch andere Energiefresser.)

Studien belegen, dass Begeisterung nicht nur die Arbeitszufriedenheit, sondern auch die allgemeine Lebenszufriedenheit vorhersagt. Wir fühlen uns mehr wir selbst, sind mehr mit unseren Stärken und Fähigkeiten in Berührung, begeben uns voller in die Lebenssituation, anstatt sie zu meiden, wir können uns mehr loslassen,uns unseren Fähigkeiten überlassen, unsere Stärken entfalten. Begeisterung, Lebensfreude zählt zu den fünf Stärken, die besonders wesentlich für unser Wohlbefinden sind:

Dankbarkeit
Hoffnung / Optimismus
Begeisterung / Lebensfreude
Neugier
Bindungsfähigkeit, Fähigkeit zulieben und geliebt zu werden

 

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Der Perspektivewechsel

 Wir können zu Recht fest davon überzeugt sein, dass es der Sinn unseres Lebens ist, gut zu sein (s. Dacher Keltner: Geboren, um gut zu sein).

Aber warum gibt es das Böse?
Weil das Gute nicht stark genug ausgeprägt ist. Denken Sie an 3:1, weil es in uns ist, aber gepflegt und gefördert werden will.
Weil uns der Mut fehlt, uns selbst und unsere Wahrnehmungen offen anzunehmen. Denn der Prozess des guten Lebens, so Carl Rogers, der die personenzentrierte Gesprächstherapie entwickelte, „enthält ein Ausdehnen und Wachsen der Entwicklung zu einem Sein, in dem man zunehmend seine Möglichkeiten ist. Der Mut zu sein ist darin einbegriffen. Es bedeutet, sich völlig in den Strom des Lebens hineinzubegeben.“
(Carl Rogers: Entwicklung der Persönlichkeit, 1976 S. 195)
Weil unsere innere, gute Natur unterdrückt ist (s. Abraham Maslow), das Gute in uns nicht genügend befähigt wird
(s. Martha Nussbaum).

Die Experimente von Stanley Milgram in den 1960ern brachten erschreckende Erkenntnisse über die Gehorsamkeitsbereitschaft der Menschen.
Warum waren diese Experimente erforderlich, da es doch die Wirklichkeit ohnehin gab? Weil die Psychologie lange ausschließlich auf das Negative blickte.  

Philip Zimbardo demonstrierte mit seinem Stanford Prison Experiment 1971 etwas, was wir schrecklicherweise in der Wirklichkeit immer wieder erleben: dass  Menschen in extremen Situationen die ihnen zugewiesene Macht missbrauchen.

Er schlussfolgerte: „Jede Tat, die ein beliebiger Mensch jemals begangen hat, wie grauenhaft auch immer … ist jedem von uns möglich  - unter den richtigen oder falschen situativen Umständen.“ (Das Psychologie-Buch, 2012, S. 255)

Die britischen Psychologen Alexander Haslam and Stephen D. Reicher (in: thepsychologist.bps.org.uk, Jan. 2008) zogen aus ihren Experimenten den Schluss: Menschen,die in einer tyrannischen Umgebung grausam mitwirken, sind nicht einfach nur Folger. Sie sind aktiv und kreativ in ihren Aufgaben.

Meiner Meinung nach kann es nicht jedem passieren, plötzlich ein grausamer Übeltäter, ein Funktionär in einem Unrechtsregime zu sein. Wenn es vielleicht „normale“ Menschen sind, sind es in keinem Fall aufgeblühte Menschen.

Denn im psychologischen Wohlbefinden spielen Menschlichkeit und Freundlichkeit die entscheidende Rolle, nutzen wir unsere Stärken, beispielsweise Kreativität, so,dass sie unsere individuellen Fähigkeiten erweitern, andere sich daran erfreuen können, einen Nutzen davon haben.

Wenn wir unsere guten Fähigkeiten erkennen, zulassen und erweitern (und das ist das Anliegen der Positiven Psychologie), erkennen wir auch die Gelegenheiten, sie in unserem Leben, in unserem Umfeld einzusetzen.

In „Der Luzifer-Effekt“ (2008) schrieb Philip Zimbardo über „die Macht der Umstände und die Psychologie des Bösen“.
Die Positive Psychologie erforscht die „Macht“ guter Umstände, unsere anderen, guten Seiten: unsere guten Gefühle, unsere Stärken, die ein gutes Leben und einen guten Menschen ausmachen (Weisheit, Hoffnung, Freundlichkeit, Liebesfähigkeit, Begeisterung, Mitgefühl, Mut, Vergebungsbereitschaft) und zum Gelingen von Gemeinschaften beitragen und positive Institutionen ermöglichen (gesellschaftliche Verantwortung, Altruismus, Höflichkeit, Toleranz, Fähigkeit zu Teamwork, Gerechtigkeit). 

Philip Zimbardo erklärt nicht nur, warum es zu Gewalt und Bösem kommen kann, sondern blickt durchaus positiv auch darauf, was für ein für sich selbst und die Gemeinschaft sinnvolles Leben zählt:

die Zeit weise und gut nutzen - lebenslang lernen - das, wofür Sie sich begeistern, pflegen - aus der Ich-Zentrierung heraus zu sozialem Engagement - Ihr Selbstbild überschreiten - positiv von Erwartungen abweichen - Held/in im Ihrem Leben sein

Das ist übrigens auf Greatergood.berkely.edu („7 Path to a meaningful life“, 2013) zu lesen, der Website des Centers, das von Dacher Keltner ins Leben gerufen wurde.

 

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Zum guten Leben befähigen        

Der Fokus darauf, was an Gutem in uns Menschen steckt und seine Chance für ein lebenswertes Leben bekommen will, liegt der „Liste des guten Lebens“ von Martha Nussbaum, Philosophin und Professorin für Recht und Ethik, zugrunde. (z.B. fairness-stitung.de. Es gibteine schöne Kind-gerechte Übertragung: kinderförderung.bepanthen.de)

Die Entfaltung der Grundfähigkeiten soll allen Menschen in der Gesellschaftgarantiert sein.

Ihr geht es um die Befähigung zu einem guten Leben, darum, diese Fähigkeiten, die„Verwirklichungschancen“ des Menschen zu fördern und sicherzustellen, überall, in jedem Lebensbereich, für sich selbst und andere. 

Wir sind fähig, die Welt mit allen unseren Sinnen erfassen, zu verstehen, zu wissen, unnötige Schmerzen zu vermeiden, freudvolle Erfahrungen zu machen, wir sind fähig zur Liebe, zu Vertrauen, Bindung, zu Freundlichkeit und Dankbarkeit, zu Trauer und Sehnsucht, zum Einfühlen in andere Menschen, zu Gerechtigkeit, Sorge für andere Lebewesen und die Natur, zu lachen, zu spielen, zu genießen, Schönheit zu erkennen und zu bewundern und zu erschaffen, eigenständig zu entscheiden, Individualität zu zeigen, mit unseren Leistungen unverkennbar zu sein, ein volles Menschenleben bis zum Ende zu führen, gesund und sicher zu leben.

Keine Frage, dass wir ein gutes Leben leben, aufblühen, wenn wir diese Fähigkeiten verwirklichen können.

Martha Nussbaum sagt, dass es für alle diese Fähigkeiten ein entsprechendesGrundbedürfnis in uns Menschen gibt, das geweckt, erfüllt gefördert werden will. Das  ist die Nähe zu Abraham Maslows Bedürfnispyramide und der Selbstverwirklichung.

In ihrem„Capability Approach“, dem Befähigungs- oder Fähigkeitenansatz beschreiben Martha Nussbaum und der indische Wirtschaftswissenschaft-Nobelpreisträger Amarty Sen, wie der Wohlstand in einer Gesellschaft mit mehreren Kenngrößen und nicht nur mir dem Einkommen gemessen werden kann. Dazu gibt es einen interessanten Artikel in zeitonline 2009: „Wer denkt für morgen? Nicht vom Brot allein“.

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Abraham Maslow

Abraham Maslow war einer der inspiriertesten und inspirierendsten Psychologen.

 Er ist vor allem mit drei Themen verbunden:

 1 – Humanistische Psychologie

 2 – Die Bedürfnisse der Menschen: die Bedürfnispyramide

 3 – Gipfelerlebnisse

 

1 – Humanistische Psychologie

Die humanistische Psychologie ist eine bedeutsame Wurzel der Positiven Psychologie.

Die “dritte” Kraft der Psychologie, wie die humanistische Psychologie zuerst genannt wurde, befasst sich mit Themen wie „Liebe. Kreativität, Selbst, Wachstum, Organismus, Befriedigung grundlegender Bedürfnisse, Selbstverwirklichung, höhere Werte, Werden, Spontaneität, Spiel, Humor, Gefühl, Natürlichkeit, Wärme, Überwindung des Ego, Objektivität, Autonomie, Verantwortung, Bedeutung, Rücksicht, transzendente Erfahrungen, Gipfelerlebnisse, Mut und verwandte Konzepte“.

„Die humanistische Psychologie führt zu einer neuen Lebensweise, nicht nur für den Menschen innerhalb seiner eigenen privaten Psyche, sondern auch für denselben Menschen als soziales Wesen, als ein Mitglied der Gesellschaft.​“

„Da diese innere Natur gut oder eher neutral als schlecht ist, ist es besser, sie zu fördern und zu ermuntern, anstatt sie zu unterdrücken. Wenn man ihr erlaubt, unser Leben zu leiten, wachsen wir gesund,fruchtbar und glücklich.​“

Und das ist zugleich unsere Aufgabe: „Der Mensch hat die Aufgabe, all das zu sein, was er sein kann.“

Zitate aus: Abraham Maslow: „Psychologie des Seins“ (1962)

2 – Bedürfnispyramide

Mihaly Csikszentmihalyi (der Entdecker des Flow-Erlebens) beschreibt Maslows Pyramide so (in „Dem Sinn des Lebens eine Zukunft geben“): „Die meisten Menschen haben ähnliche Ziele. Jeder Mensch will zunächst einmal überleben, sich geborgen und angenommen fühlen, geliebt und respektiert werden. Wenn diese Ziele einigermaßen befriedigend umgesetzt – oder unwiderruflich gescheitert sind -,wenden wir unsere Energie der Entfaltung unseres eigenen einzigartigen Potenzials zu, um das zu erreichen, was der Psychologe Abraham Maslow als Selbstverwirklichung bezeichnete. Dann verlagern einige Menschen ihre Prioritäten erneut und erstreben das Ziel der Transzendenz. Sie versuchen, die Grenzen ihrer persönlichen Bedürfnisse zu überschreiten, indem sie individuelle Ziele mit höheren Zielen verschmelzen, wie dem Wohl der Familie, der Gemeinschaft, der Erde oder des Kosmos. Ein Wissenschaftler, der viel über die Frage der Supraleitfähigkeit nachgedacht hat, wird jeder neuen Erkenntnis auf diesem Gebiet genauso viel Beachtung schenken wie dem Hunger oder Kopfweh, die ihren Ursprung in seinem Körper haben. Für eine Grenzüberschreiterin wie MutterTeresa ist das, was mit den Waisen in Kalkutta geschieht, genauso wichtig wie das, was mit ihr selbst geschieht.​“

Die letzten Äußerungen von Csikszentmihalyi machen deutlich, dass die Grundbedürfnisse wichtig bleiben. Es ist die Vielfalt der Bedürfnisse, die wir beachten und deren Erfüllung wir ermöglichen sollen, um die volle menschliche Entwicklung zu fördern.

Neuere Untersuchungen bestätigen, dass Maslow Recht hatte, dass die Menschen weltweit, kulturübergreifend universelle menschliche Bedürfnisse haben und dass diese unsere inneren Motive sind. Die hierarchische Anordnung der Bedürfnisse bestätigte sich nicht.
Menschen können also Wohlbefinden erlangen, wenn sie gleichzeitig an mehreren Bedürfnissen arbeiten, ungeachtet der Erfüllung anderer Bedürfnisse. Wir können verschiedene Bedürfnisse kombinieren: Beispielweise das Bedürfnis nach Nahrung nicht nur als physiologisches Bedürfnis erfüllen, sondern verbinden mit Zugehörigkeit, Wissen, Ästhetik. Wenn jemand krank ist und nicht mehr essen kann, wird die Liebe der Menschen, die bei ihm sind, die sozialen Bedürfnisse erfüllen. Besonders zu positiven Gefühlen trägt die Erfüllung sozialer Bedürfnisse bei.

3 – Gipfelerlebnisse –Der Himmel ist überall

Maslow beobachtete, dass Menschen mitten im Leben Augenblicke von höchstem Glück, Ekstase, Verzückung erleben, die sie selbst überraschen und sehr unterschiedliche, individuelle Quellen haben können: Musik, Kreativität, Liebe, Verschmelzen mit der Natur, Sport, der Lichtstrahl, Kunst, das gemeinsame Frühstück, die Morgendämmerung, ein Blick, ein Duft … Er nannte sie Gipfelerlebnisse. Diese Erfahrungen können wir nicht willentlich erzeugen; sie ergreifen uns, sie sind ein Geschenk. Wir können einfach nur offen für sie sein; „Wer dies tut, wird im täglichen Leben anders – behutsamer, herzlicher – mit Menschen, Tieren, Pflanzen und Dingen umgehen und einfach glücklicher sein durch die Ausrichtung auf echte, bleibende Werte.​“ Gipfelerlebnisse bringen uns ganz nah an die "Seinswerte", wie Maslow sie nannte. „Als seien wir plötzlich mit neuen Augen erwacht, sehen wir einen Augenblick lang alles, was es gibt, als ein einziges, wahres, schönes, gutes, unendlich wertvolles Geschenk, das uns mit der Freude überwältigender Dankbarkeit erfüllt.​“ „Um es auf eine andere Weise zu sagen: Der Himmel ist überall um uns herum, steht uns im Prinzip immer offen.​“

Zitate aus: Abraham Maslow: „Jeder Mensch ist ein Mystiker“

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Sinn finden

Sinn müssen wir selbst finden. Zu diesem Schluss kam der Wiener Psychiater Viktor Frankl, der  1945 aus dem Konzentrationslagerbefreit wurde. Der Sinn liege im Leben selbst, Liebe, Kreativität und unserer Einstellung der Welt gegenüber. Wir selbst können entscheiden, wie sehr unsere Umgebung uns formt.

Frankl berichtete von einem Patienten, der unter dem Tod seiner Frau litt. Als der Patient erkannte, wie sehr seine Frau gelitten hätte, wenn es umgekehrt gewesen wäre, sah er den Sinn darin, seiner Frau den Kummer seines Todes erspart zu haben. 

Ein Sprichwort sagt: Der Menschen plant, Gott lacht. Wenn wir zu sehr darauf setzen, dass alles berechenbar, vorhersagbar sein müsste, dann fällt es uns schwer, Unerwartetes anzunehmen, weil wir in unserer Komfortzone, dem Leben, in dem wir uns eingerichtet haben, bleiben wollen.

Sich die Existenz der Un-Sinns bewusst machen kann uns helfen, mit sinnlos erscheinenden Ereignissen umzugehen, anstatt uns ausschließlich als das Opfer solcher Warum-Ereignisse zu sehen und in Schockstarre zu verfallen.

Unser Bedürfnis nach Sinn erfüllt sich demnach am ehesten, wenn wir uns dem Sinnlosen nicht sperren und uns selbst Sinn und die entsprechende Aufgabe geben. Wenn wir verstehen, dass  die Welt in ihrem Wesen voller Absurdität und Widerspruch ist, können wir uns entscheiden und einen sinnvollen Zweck in unserem Leben finden, anstatt uns selbst mit allen Bedürfnissen und Potenzialen, als Mensch zu wachsen, aufzugeben und einem pessimistischen Weltbild zu folgen. Wir können eine Vision entwickeln und sagen: Wenn wir planen und Gott lacht, dann lasst uns mit ihm lachen. Das hat viel mit der größeren Perspektive, die positive Emotionen eröffnen, zu tun und hilft uns, uns in einem größeren Zusammenhang neu einzuordnen.

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Das macht Sinn

Ikigai (japanisch) = das, wofür es sich zu leben lohnt

Menschen, die glauben, dass ihr Leben einen Sinn hat, leben länger. Zu dieser Schlussfolgerung kam Christopher Peterson bei der Analyse der Daten aus einer Studie von Toshimasa Sone et. al.von der Tokohu University Graduate School of Medicine in Sendai, Japan. Menschen, die an einen Sinn in ihrem Leben glauben, leben länger als solche, die keinen Sinn in ihrem Leben sehen. (Christopher Peterson: Ikiga and Mortality (Psychology Today, 17.9.2008)

Im Mittelpunkt der Studie stand Ikegai. Es hat mit subjektivem Wohlbefinden, dem wahrgenommenen Sinn und Zweck im Leben zu tun und Assoziationen zu Freude am Leben, Arbeit, Familie, Hobby - sie alle können Sinn geben.

Ikigai ist mit dem Konzept der Leidenschaft in der Positiven Psychologie verwandt. Es ist keine Garantie für Langlebigkeit und seine Abwesenheit schließt sie nicht per se aus. Es erhöht aber in jedem Fall die Lebensqualität.

Daniela Blickhan, Vorsitzende des Deutschspachigen Dachverbandes für Positive Psychologie e.v. (DACH-PP), spricht von Wohlfühlglück und unterscheidet es von Werteglück, das mit Sinn, Engagement und Erfüllung einhergeht. In einem Interview auf www.positivebusiness.eu  28.5.2014: Glück im Sinne der Positiven Psychologie ist „mehr als gute Laune. Man kann Glück in zwei komplementäre Ansätze fassen: Einmal das Wohlfühl-Glück (Hedonic Happiness), das positive Emotionen und das angenehme Leben umfasst. Das allein genügt uns aber auf Dauer nicht. Für positive menschliche Entwicklung und wirkliche Zufriedenheit brauchen wir das so genannte Werte-Glück (Eudaimonic Happiness ), bei dem es um Sinn, Erfüllung und Engagement geht. Wenn Menschen ihre Stärken wert- und sinnvoll einsetzen, um ihre Ziele und Visionen zu erreichen, dann wachsen sie.“

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Wie halten wir das nur aus ....

Für den Umgang mit Krisen, Schicksalsschlägen, belastenden Herausforderungen, ob Krankheit, Jobverlust, Unfall, Scheidung, Überschwemmung, Tod eines geliebten Menschen, sind viele Ressourcen nötig. Menschen, die solche Krisen und schweren Lebenssituationen meistern, haben psychische Widerstandskraft, Resilienz. Was bedeutet das?

Wenn sie in eine schlimme Lebenssituation geraten, fragen sie sich, was sie tun können, welche Ressourcen sie nutzen können. Ressourcen meint: Welche Fähigkeiten haben sie selbst, welche können sie lernen? Wo liegen ihre persönlichen Stärken? Welche Menschen können ihnen helfen? Welche finanziellen und materiellen Mittel haben sie? Bewegen sie sich in die richtige Richtung? Welche Strategien wenden sie an, welche müssen sie ändern – und sie sind bereit, ihre Strategie immer wieder nachzuregulieren. Resiliente Menschen passen sich also der Situation an und können dabei unter Umständen Erstaunliches an sich entdecken. Der bisher von Widrigkeiten verschonte Büromensch erweist sich angesichts eines überfluteten Kellers möglicherweise zunächst als hilflos und kann dann viel von anpackenden Nachbarn lernen. Die Frau, die Freund und Job verloren und ein Kind zu versorgen hat, erlebt, dass sie in einer völlig neuen Tätigkeit ungeahnte Fähigkeiten entwickelt und neue Menschen kennen lernt, die sich mit der Kinderbetreuung gegenseitig aushelfen. Der Mann, der seit einem Schlaganfall teils gelähmt ist, stellt fest, dass seine Frau zusätzlich zu seiner Pflege alles Bürokratische erledigt, das er ihr nie zugetraut hatte.

Warum geschieht so etwas? Weil die Menschen, deren Leben aus den Fugen geraten ist, sich voll und ganz in die neue Situation engagieren.

Im Film „Nanny McPhee“ ermuntert das Kindermädchen (gespielt von Emma Thompson), als die schreckliche Stiefmutter unabwendbar scheint, die Kinder, „Denkt nach“, damit diese die Lösungen entdecken, die in ihrer Umgebung tatsächlich vorhanden sind (in diesem Fall die eingebildeten Bienen).

Dass wir Ungeahntes zustande bringen und uns in nie vorgestellten Lebenslagen zurechtfinden, liegt nicht daran, weil der Satz ‚Was uns nicht umbringt, macht uns stark‘ Gültigkeit hätte, sondern weil Menschen, die Krisen meistern, ihr Umfeld und ihre Fähigkeiten und Stärken nutzen und weil sie die Dinge anders sehen, als diejenigen, die in der Katastrophe steckenbleiben oder davor kapitulieren. Anders gesagt: wir brauchen keine Krisen, um zu wachsen. Was Krise ist und wie groß das Unglück ist, ist teils das, was wir daraus machen.

George Bonanno, Professor für klinische Psychologie am Teachers College, Columbia University, der sich sich mit Resilienz, Trauer und Verlust beschäftigt, bezeichnet den Menschen als „ein zähes Tier“.
Das hat nichts mit Abgebrühtheit oder Gefühllosigkeit von widerstandsfähigen Menschen zu tun. Sie weinen und fluchen, sind verzweifelt, wenn sie in schlimme Lebenssituationen geraten, aber sie weinen nicht anhaltend und lassen sich von ihrer Verzweiflung nicht Schachmatt setzen. Sie geraten nicht in eine langfristige Depression, das heißt, sie fühlen sich nicht hilflos. Das ist ihr Geheimnis, das sie letztlich überleben und neue Wege finden lässt.

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Was ist Resilienz?

Wörtlich bedeutet Resilienz Elastizität oder Auftriebskraft.

Resilienz ist die Kraft der Belastbarkeit, durch die wir in der Lage sind, mit Schwierigkeiten umzugehen, Probleme anzupacken, uns nicht unterkriegen lassen. 

„Resiliente Menschen haben, wie wir alle, Angst, Zweifel, aber sie haben gelernt, wie sie ihre Angst und ihre Zweifel stoppen und verhindern, dass sie sie überwältigen. Wir sehen, wie sie mit Integrität und Anmut handeln und wir fragen uns: könnte ich das auch? Die Antwort lautet: Ja.“ Karen Reivich, die grundlegende Forschung auf dem Gebiet der Resilienz geleistet hat.*

Resilienz können wir lernen.
Karen Reivich:  „Sie lernen, Ihre Resilienz zu entwickeln und sie im Leben mit Vitalität, Neugier und Inspiration einzusetzen.“

Das Lernen macht Spaß, weil es uns mit unseren schlummernden Fähigkeiten in Berührung bringt. Allerdings müssen wir Aufrichtigkeit und Energie aufwenden und uns verpflichten. Es geht darum,  den eigenen Denkstil zu überprüfen und zu entrümpeln, Stärken auf – und ausbauen, die eigenen Fähigkeiten zu erkennen, zu wissen, wie wir sie am besten einsetzen und sie zu erweitern. Das fördert eine optimistische Lebenseinstellung. Optimismus ist der Gegenpol von Hilflosigkeit;er führt zur Erfahrung von Selbstwirksamkeit, stärkt das Gefühl, sich auf sich verlassen zu können.

Hilflosigkeit überwinden, meint auch die Kraft zwischenmenschlicher Beziehungen zu nutzen, die guten Erfahrungen im Leben (die es trotz aller Widrigkeiten gibt) zu schätzen, uns lobend auf die Schulter zu klopfen, wann immer wir eine Schwierigkeit gemeistert haben, überzeugt zu sein, dass unser Tun einen Sinn hat und eine anziehende, positive und hoffnungsvolle Vorstellung von der eigenen Zukunft zu entwickeln.

Im Amerikanischen gibt es die Kindergeschichte von der kleinen Lokomotive, die sich Mut macht und immer sagt „I think I can, I think I can“. Das klappt auch in deutscher Sprache „Ich denk, ich schaff‘s, ich denk, ich schaff’s“.

Wie ein kleines Mantra zum Anspornen der Selbstwirksamkeit, zum Stärken der Überzeugung, das zu können, was wie  leisten will.

*Karen Reivich / Andrew Shatté: TheResilience Factor – 7 keys to finding your inner strength and overcoming lifehurdles  (2003)

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Keine Panik: Wie unser Gehirn tickt

Warum gelingt es uns nicht häufiger, glückliche Zeiten vor unserem inneren Auge, mit allen den guten dazugehörigen Gefühlen noch einmal abzuspielen und so unsere Gefühle und unsere Stimmung positiv zu beeinflussen? Warum überrollen uns dagegen negative, schlimme, peinliche Erinnerungen? Weil es uns leichter fällt, negative Ereignisse zu erinnern als gute. Am Boston College hat die Psychologin Elizabeth Kensinger nachgewiesen, dass zwei für die Verarbeitung von Gefühlen zuständige Hirnareale (orbifrontaler Kortex und Amygdala/ Mandelkern) durch widrige, bedrohliche Erlebnisse stärker aktiviert werden als durch Erfreuliches. Diese große Aktivität führt dazu, dass Negatives nachhaltiger im Gehirn abgelegt wird und wir es bereits bei kleinen Auslösern und intensiver als Positives erinnern. Der erste Schritt zu einem freundlichen, offenen, gelassenen, bejahenden Leben ist das Sich-Bewusstmachen dieser  Arbeitsweise des Gehirns. Nutzen wir seine Warnfunktion – aber nicht blind. Üben wir, das Gute zu sehen und verhindern wir so, dass unsere negativen Emotionen unsere Sicht des anderen, der Welt, von uns Selbst verzerren. Treffend ist der Titel eines Artikels von Elizabeth Kensinger: How negative emotion affects memory accuracy* (Wie negative Emotionen die Erinnerungsgenauigkeit beeinträchtigen)

* Elizabeth A. Kensinger: How negative emotion affects memory accuracy: behavioural and neuroimaging evidence (2007) Current Directions in Psychological Science

 

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Rumi und die öffnende Kraft der positiven Emotionen

Wie verändern uns positive Emotionen?

Sie öffnen uns, sie weiten den Blick für die Schönheit, die Vielfältigkeit der Welt, die Vielzahl unserer Möglichkeiten.
Ein Zitat von Dschelaluddin Rumi, einem Mystiker des 13. Jahrhunderts, beschreibt die Wirkung sehr treffend:

„Es gibt eine Art zu atmen, die beschämend und eng ist.
Dann gibt es noch eine andere Art: einen Atem der Liebe, der uns bis zur Unendlichkeit führt.“

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Lachen

„Wenn du nicht über dich selbst lachen kannst, hast du den größten Spaß verpasst.“

„If you don’t laugh at yourself, you have missed the biggest joke of all. “

Rick Snyder  (in: Snyder, Lopez: Positive Psychology (2007) S. XXIV)

 

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Nur wenn es echt ist ….

wirkt Lächeln positiv auf das Wohlbefinden und die soziale Beziehung. Es ist das Lächeln über das gesamte Gesicht, bei dem auch die Muskeln um die Augen herum beteiligt sind. Das aufgesetzte, künstliche Lächeln, das nicht herzlich, aufrichtig aus Sympathie, in Freude über den anderen ist, ist nicht nur nicht förderlich für die Emotionen, es kann sogar der Gesundheit schaden. In einer Studie von Barbara Fredrickson (erforscht an der University of North Carolina positive Emotionen) trugen die Testpersonen Sensoren. Diese zeichneten mikroskopische  Infarkte in ihrer Herzwand auf, jedes Mal, wenn sie ein falsches Lächeln erhielten, obwohl den Versuchspersonen die Wirkung des Lächelns nicht bewusst wurde. Dieses Lächeln, ohne echtes positives Gefühl kann auf Dauer zu einem Risiko für die Herzgesundheit werden. Nur das echte, aus dem Inneren kommende Lächeln hat die Qualität „sozialer Schokolade“ (Dacher Keltner: Born to be good: The science of a meaningful life, 2009)

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Glück oder Stress?

Die Forschungsgruppe um Barbara Fredrickson* stellte fest, dass leere Glücksgefühle, wie sie auch durch Drogen erzeugt werden können – man denke an die Glücksdroge „Soma“, mit der die Regierung im Klassiker „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley die Menschen euphorisiert - auf den Körper so wirken wie für das Immunsystem anhaltende bedrohliche Umstände. Das Immunsystem bereitet den Körper mit einer proinflammatorischen (entzündungsfördernden) Reaktion auf bakterielle Infektionen vor … wie es es bei unseren Ururahnen getan hat, wenn diese, auf sich allein gestellt, die Verwundung durch Raubtiere oder Artgenossen fürchten mussten. Diese proinflammatorische Aktivität zeigt sich bei chronischem negativem Stress, wird mit Herzkrankheiten, einigen Krebsarten und Depression in Verbindung gebracht.  

In der Studie überlappten sich Glücksempfinden und Sinnempfinden bei mehreren Personen und erlangten beide hohe Werte. Nur ein Viertel der Testpersonen berichtete mehr Sinn als Glücksgefühl. Wenn Glück und Sinn auf einer Höhe waren oder das Sinnempfinden stärker ausgeprägt war als das Glücksgefühl, wurde die schädliche Stressreaktion des Immunsystems deaktiviert. 

Die Schlussfolgerung; Menschen, die Bedeutung und Sinn in ihrem Leben erfahren, haben ein stärkeres Immunsystem als solche, die sich zwar glücklich fühlen, aber nichts haben, das ihrem Leben Sinn gibt. Oder: Das sinnvolle Leben ist anders als das lediglich angenehme Leben –gesünder.

*Fredrickson,Cole et. al.: A Functional Genomic Perspective on Human Well-Being (Proceeding in the National Academy of Science, July 2013)

 

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Glücklich machen ist das höchste Glück.

Aber auch dankbar annehmen ist ein Glück.
Theodor Fontane 

Wenn wir Dankbarkeit wirklich empfinden und ausdrücken, wird uns bewusst, was uns geschieht, warum es geschieht. Aus diesem Grund macht das Ausdrücken von Dankbarkeit uns glücklich, stärkt unser Vertrauen, unsere Zuversicht, gibt uns tieferen Einblick in den Sinn des Lebens, stärkt unsere Beziehungen zu den Menschen, denen wir dankbar sind, weil sie in unserem Leben etwas zum Guten verändert haben.
Eine Übung der Positiven Psychologie mit hoher nachgewiesener Wirkung ist der Dankbarkeitsbesuch. Ich schreibe einem Menschen, der in meinem Leben viel Gutes bewirkt hat, dem ich aber nie wirklich angemessen gedankt habe, einen Brief und überreiche ihm diesem Brief persönlich.
Eine weitere Übung ist das Tagebuch, das regelmäßige Sammeln und Aufschreiben der Begebenheiten in unserem Leben, für die wir dankbar sind. Oder ein Dankbarkeitsmotto, das wir in unserer täglichen Umgebung, z.B. Schreibtisch, Smartphone, sichtbar machen.

Wir können eine persönliche Dankbarkeit jemandem gegenüber empfinden ebenso wie eine Dankbarkeit für das Leben selbst, die Schönheit der Natur, unsere Fähigkeiten, das Gute in den Menschen. Wir können für kleine Dinge dankbar sein ebenso wie für große.

Wichtig ist, innezuhalten und uns bewusst zu machen, dass Gutes in unserem Leben geschieht.

Die Psychologieprofessoren Robert A. Emmons und Michael McCullough wiesen nach, dass Menschen, die das Gefühl der Dankbarkeit regelmäßig kultivieren, mehr positive Emotionen, Gelassenheit und Freude, tiefere persönliche Beziehungen und stärkere Gesundheit aufweisen.

„Dankbarkeit bedeutet Anerkennen und Erkennen“, so Robert A. Emmons [(“Thanks!: How the new science of gratitude can make you happier“(2007) / “Vom Glück, dankbar zu sein: Eine Anleitung für den Alltag (2008)]

Wenn ich das Gute in meinem Leben anerkenne, sage ich Ja zu meinem Leben und empfinde es als lebenswert. Wenn ich weiter frage, erkenne ist, dass die Quelle der Dankbarkeit zumindest teilweise außerhalb meines Selbst liegt, dass andere Menschen und Lebewesen, Kräfte, die größer sind als ich selbst, beteiligt sind.

Bei einem Naturerlebnis kann ich mich fragen: Woher kommt das? Wer gibt mir das? Warum erfreut mich das? Ich bin dankbar für meine Fähigkeit, das zu genießen.

Dank der Dankbarkeit erkennen wir, dass es auf der Welt ein paar gute Dinge gibt …immer.

Wenn wir dankbar sind, erkennen wir größere Zusammenhänge. Dankbarkeit ist eine transzendente Stärke. Sie bindet uns ein in ein größeres Netz, und darum ist sie so wertvoll für unser Wohlbefinden.

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Weiches Herz, Gesundes Herz

Es gibt diese wunderbare Geschichte von Astrid Lindgren „Mio, mein Mio“, in der der böse Ritter Kato letztlich erleichtert ist, als Prinz Mio dessen Herz aus Stein zerschlägt.

Weichherzigkeit ist kein Herz aus Stein. Ihre wichtigste Komponente ist das Mitgefühl. Sie umfasst viele unserer Stärken: Einfühlungsvermögen, Freundlichkeit, Fürsorge, Güte, Vergebungsbereitschaft, Großzügigkeit, Bescheidenheit, Fairness, Menschlichkeit, Liebe - für andere (und sich selbst). (s. Unsere Stärken: die Bestausstattung für unser Leben).

Weichherzigkeit kann aus psychologischer Sicht viel zu unserem Wohlbefinden beitragen.
Etliche Studienbestätigen die positive Auswirkung des Mitgefühls auf unsere psychische und körperliche Gesundheit:

- Es aktiviert Belohnungszentren im Gehirn; wir fühlen uns glücklicher, optimistischer, hilfsbereiter.

- Wir verhalten uns fürsorglicher anderen Menschen gegenüber.

- Praktiziertes Mitgefühl senkt das Risiko für Herzkrankheiten.

- Wir sind widerstandsfähiger gegen Stress.

- Angestellte, die in ihrem Unternehmen Mitgefühl zeigen können und erfahren, nehmen sich selbst, ihre Kolleginnen und Kollegen, ihre Organisation positiver wahr, berichten mehr positive Emotionen, wie Freude, Zufriedenheit, Zuversicht, mehr Verbundenheit mit ihrer Arbeit.

- Mitfühlende Menschen sind sozial kompetenter und somit weniger durch Einsamkeit gefährdet,  die Stress verursacht und das Immunsystem schwächt.

Mitgefühl kann uns mutig machen. Es ist dann nur ein kleiner Schritt, tatsächlich freundliches Verhalten zu zeigen. Mitgefühl meint auch, sich mit anderen freuen, ihre Freude neidlos und absichtslos teilen und unser Anteilnehmen ausdrücken.
Mitgefühl ist ansteckend, und eigentlich ist es recht einfach. Denn wir haben unseren Vagusnerv. Er ist so natürlich in uns angelegt wie unsere Stärken und Emotionen.

Die Vagusnervaktivität ist hoch, wenn Menschen Mitgefühl zeigen … und hohe Vagusstimulation ist gut für ein gesundes Herz. Neurobiologische Studien weisen darauf hin, dass er der Nerv für das Mitgefühl, für zwischenmenschliche Beziehungen und Fürsorge ist. Die Fähigkeit, Menschen zu erkennen, denen wir vertrauen können, hängt mit dem Vagusnerv zusammen, denn er ist mit Rezeptoren verknüpft, die das Vertrauenshormon Oxytocin binden. Er ist der größte Nerv des parasympathischen Nervensystems, des Teils des vegetativen Nervensystems, das beruhigend wirkt. Er wird darum auch Ruhenerv, Meditationsnerv genannt.

Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit hohem Tonus des Vagusnerves mehr Freunde und soziale Kontakte haben, besonders hilfsbereit sind und viel Mitgefühl zeigen.

Wir können den Vagusnerv stärken, wenn wir unsere positiven Gefühle stärken.
Barbara Fredrickson (University of North Carolina) und Bethany Kok (Max Planck Institut)* ließen Angestellte der University of North Carolina in der Liebende-Güte-Meditation/ Loving Kindness Meditation täglich eine viertel Stunde freundliche Gedanken üben. In der ersten Woche richteten sie die freundlichen Wünsche auf sich selbst. Sie erweiterten die Gedanken schrittweise auf engste liebe Menschen und immer weiter, bis in der sechsten Woche alle, auch fremde Menschen, einbezogen wurden.

Ergebnis: Die guten Gefühle führen dazu, dass wir sich anderen Menschen mehr verbunden fühlen, und dieses Gefühl der Verbundenheit steigert die Vagusnervaktivität. Der höhere vagale Tonus ermöglicht wiederum mehr gute Gefühle und Verbundenheit zu erleben. So wird eine Aufwärtsspirale in Gang gesetzt:

„Regelmäßig kultivierte gute Gefühle sind geradezu ein Nährstoff für den Körper, stärken das Miteinander und verbessern die vegetative Gesundheit, was dazu führt, dass Menschen noch mehr auf freudvolle Momente und gute Beziehungen achten.​“*(S. 9)
Wesentlich: Zuerst sind die freundlichen Gefühle da, die in uns selbst entstehen.  

•Barbara Fredrickson, Bethany Kok: “How Positive Emotions build Physical Health: Perceived Positive Social Connections Account for the Upward Spiral between Positive Emotions and Vagal Tone” (Psychological Science, 2013)

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Mit Ellbogen zum Erfolg?

Führt die Ellbogen-Strategie wirklich zum Erfolg?

Die anderen zur Seite boxen und sich nehmen, was man braucht. Auf seine Chance warten, um zum großen Schlag auszuholen … aber: um nachhaltig erfolgreich zu sein, ist Umdenken angesagt. Erfolgreiche Unternehmen (und auch das eigene Leben) beruhen auf einer feinen Balance von Geben, Nehmen und Tauschen. Und tatsächlich sind die Gebenden weitaus öfter erfolgreicher, als vielleicht gemeinhin vermutet. So Adam M. Grant, Professor für Organisationspsychologie an der angesehenen Wharton Business School (University of Pennsylvania). In seinem Buch „Geben und Nehmen“ präsentiert er aufschlussreiche Erkenntnisse.

Gebende bekommen unter Umständen keine unmittelbare direkte Gegenleistung von denjenigen, denen sie helfen (im Gegenteil: wenn sie Kollegen oder Mitschülern helfen, könnten sie möglicherweise ihre spätere, durch sie gestärkte Konkurrenz heranbilden). Aber sie erleben in ihrem Tun eigene Zufriedenheit, setzen ihre Fähigkeiten ein und weiten sie dadurch aus, sie verbessern und gestalten ihr Umfeld, in dem sie letztlich erfolgreich sind. Und sie können eine positive Ansteckung bewirken. Gebende gehen voran, sie belauern die anderen nicht, um von ihnen nehmen zu können. Erfolgreiche Gebende sind deshalb keine wohltätigen Samariter und geben auch nicht sprichwörtlich ihr letztes Hemd oder ihren letzten Penny.
Sie helfen, weil es ihnen Freude macht, wichtig ist und halten dabei ihre Prioritäten im Blick.

Geben ist eine andere Strategie als die des Nehmens und auch anders als das Tauschen oder Ausgleichen, wie Adam Grant es beschreibt. Tauschende kalkulieren ihren Nutzen beim Geben ein. Gebende haben beim Geben nicht den Hintergedanken, möglichst viel zurückzubekommen – dann wären sie kaschierte Nehmende und in ihrem Geben auch nicht erfolgreich. Dieser besondere Welleneffekt, durch den Gebende Zufriedenheit, bessere Kooperation und Produktivität am Arbeitsplatz, bessere Kundenbeziehungen und mehr Gewinn verursachen, bliebe aus.

 Zitat: „Wenn Sie es jedoch um des Erfolgs willen tun, wird es wahrscheinlich nicht funktionieren.​“*

Adam Grant führt eine Studie mit Verkäufern einer Optikerkette in den USA an. Die Verkäufer, die beim Verkauf nur an den Profit dachten, erzielten einen geringeren Umsatz als diejenigen, die den Kunden zuhörten, sie gut berieten, daran interessiert waren, dass die Kunden die für sie optimalen Brillen bekamen … und mehr Spaß und Sinn bei der Arbeit erlebten sie wohl auch.

Gebende sind nicht darauf aus, sofort die Gewinne, Belohnungen abzukassieren, und darum in der Lage, mit Geduld Nachhaltiges aufzubauen.

Gebende sind in dem Sinne bescheiden, dass sie den Erfolg nicht für sich alleine wollen. Sie verdrängen die anderen nicht. Tatsächlich, so Prof. Grant, werden mit der Haltung des Gebens bessere Ergebnisse in Führung, Beratung, Verkauf, Unterricht, Erziehung erzielt. Denn Gebende haben durchaus Ehrgeiz und Ziele, die sie erreichen wollen, verfolgen ihre Ziele aber auf andere Weise als Nehmer oder Ausgleicher/​Tauscher, die nach dem Prinzip handeln „Hilfst du mir, helf ich dir“.

Insofern erlangen Unternehmen, Schulen, Universitäten, Kliniken, Familien, kurz, Lebens- und Arbeitsgemeinschaften durch gebende Menschen, ein höheres Wohlbefindensklima als im Zusammentreffen (oder Aufeinanderprallen) von nehmenden Menschen.

Prof. Grants Fazit: Erfolg ist zunehmend davon abhängig, wie wir mit anderen umgehen.

Der reine Stil des Gebens ist selten. Gebende laufen Gefahr, ausgebeutet zu werden und ausgebrannt zu sein. Was sie gefährden kann, sind Strukturen, die immer noch dem ausschließlichen Nehmen frönen. Geben kann riskant sein, wenn man nur unter Nehmern ist.

Zitat: „Die Angst, von Nehmern ausgenutzt zu werden, sei so allgegenwärtig, schreibt der Ökonom Robert Frank von der Cornell University, dass sie «uns dazu anhält, von anderen das Schlimmste zu erwarten, und so das Schlimmste in uns hervorbringt.​»“*

Prof. Grant wertet nicht: Aber: Geben. Hilfsbereitschaft, Verantwortung, Gerechtigkeit, Mitgefühl werden weitaus höher geschätzt als Reichtum, Macht, Vergnügen, andere übertrumpfen.

Diese gebende Haltung wird in familiären, freundschaftlichen, partnerschaftlichen, nachbarschaftlichen Beziehungen auch praktiziert, aber wenig in der Wirtschafts- und Arbeitswelt, der Politik.

Trauen wir uns!

Gebende brauchen Mut, ihrer inneren Überzeugung zu folgen.

Nehmende können über den Weg der ausgleichenden Gegenseitigkeit zu Gebenden werden. Vielleicht verlangt der erste Schritt Mut, um zu der (be)lohnenden Erfahrung zu gelangen: Erfolg muss nicht auf Kosten anderer gehen … und kann dann umso bereichernder sein.

*Adam M. Grant: Geben und Nehmen – Erfolgreich sein zum Vorteil aller (2013)

 

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Wir alle können geben … und aufblühen

Geben sei die stärkste Kraft auf diesem Planeten, so Stephen Post im Vorwort des Buches „Why Good Things Happen to Good People“, Stephen G, Post / Jill Neimark (2007).

Geben sei die zuverlässigste Form der Liebe, denn wir können uns immer für sie entscheiden. Professor Post führt wissenschaftliche Fakten aus unterschiedlichen Disziplinen an. die belegen, welch einen enormen Einfluss Geben auf das psychische und körperliche Wohlbefinden hat.

Seite 2: „Sie wollen glücklich sein? Sie wollen geliebt werden? Sie wollen sich sicher und geborgen fühlen? Sie wollen sich in schwierigen Zeiten an andere wenden und auf sie zählen können? Sie wollen jeden Tag mit dem Wissen in die Welt gehen, dass dies ein Ort von Wohlwollen, Güte und Hoffnung ist? Dann habe ich eine Antwort: Geben Sie. Geben Sie täglich, auf kleine Weisen, und Sie werden glücklicher sein. Geben Sie, und Sie werden gesünder sein. Geben Sie, und Sie werden länger leben.“

Geben … und das Wohlbefinden wächst, in jedem Alter. Denn selbstloses Geben hängt mit Eigenschaften zusammen, die ein gelingendes Leben unterstützen: z.B. soziale Kompetenz, Empathie, positive Emotionen.

Stephen Post beschreibt 10 Arten des selbstlosen Gebens, die nicht nur das persönliche Leben nachhaltig lebenswerter machen, sondern auch Unternehmen, Schulen, Nachbarschaften, Gemeinden aufblühen lassen. 

- Anderen gegenüber meine Dankbarkeit ausdrücken.

- Am Wohl kommender Generation mitwirken (nicht „nach mir die Sintflut“)

- Vergebungsbereitschaft

- Mut (zu meiner Überzeugung stehen)

- Humor

- Anderen  Lebewesen respektvoll begegnen

- Mitgefühl

- Loyalität, Treue

- Anderen zuhören (mir Zeit für sie nehmen)

- Kreativität (entdecken und Dinge auf neue Weise sehen und tun) 

Sie stellen fest: Wir alle können geben!

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Helfen und Wohlbefinden

In der Psychologie ist das Hochgefühl, das Menschen erleben, wenn sie anderen freiwillig und selbstlos helfen, als Helper’s High bekannt.

Allan Luks, Experte für ehrenamtliche Tätigkeit in der Gesellschaft und Autor des Buches „The Healing Power of Doing Good“ beschrieb dieses Hochgefühl, das Menschen erleben, wenn sie anderen helfen, als erster. Er befragte und untersuchte über dreitausend freiwillige Helfer in den USA und stellte fest, die Helfenden hatten einen geringeren negativen Stresslevel, höheres subjektives Wohlbefinden, erfuhren mehr Sinn und Bedeutung in ihrem Leben als die, die nicht in helfenden Tätigkeiten engagiert waren. Sie produzierten mehr Endorphine, die körpereigenen Schmerzhemmer. Wenn wir uns um andere kümmern, kümmern wir uns um uns selbst. Wenn wir regelmäßig anderen Menschen helfen, gelangen wir von der ersten Phase, diesem „High“, in eine Phase wohltuender innerer Ausgeglichenheit und Gelassenheit, so Luks.

In eigenen Krisen hilft es, anderen zu helfen, wie beispielsweise Untersuchungen mit Menschen zeigen, die ihren Ehepartner verloren hatten. Sie fanden schneller aus einer depressiven Phase hinaus.

Nach 9/11untersuchten Forscher der Stanford University, wie verbreitet altruistisches Verhalten war und ob es den Menschen half, das Trauma zu bewältigen. Fremden, bekannten und nahen Menschen zu helfen half den Menschen, ihre traumatischen Erfahrungen besser zu bewältigen.

Es gibt diese Geschichte von Stephen G. Post, der für seine Forschung über die fördernde Wirkung des Gebens/Helfens auf Gesundheit, Langlebigkeit, Glück, Wohlbefinden, Erfolg  bekannt ist, dass seine Mutter ihm die Empfehlung gab, hinauszugehen und jemandem zu helfen, wenn er als Jugendlicher übellaunig und verstimmt war.

Kinder sind zunächst selbstlos hilfsbereit. Ob diese Haltung erhalten bleibt, hängt von ihren Vorbildern ab. Achten wir darum als Erwachsene darauf, ein gutes Beispiel zu sein. Das kann übrigens auch andere Erwachsene anstecken.

Es gibt diese Ereignisse, ob jüngst die Anschläge in Paris, Naturkatastrophen, in denen nicht nur einander bekannte Menschen, sondern auch Fremde einander helfen und freundlich begegnen. In den großen Herausforderungen gibt es die spontane Hilfsbereitschaft. Aber wie oft gehen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft im Alltag verloren. Untersuchungen haben gezeigt, dass wir weniger wahrscheinlich anderen helfen und freundlich sind, wenn wir im Zeitdruck sind, meinen, keine Zeit zu haben. Aber Zeitmangel hin oder her, wir können Gutes nur erleben, wenn wir dafür aktiv werden.

Wie können wir Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit im Alltag aktivieren?

Nehmen Sie sich Zeit für die Freundlichkeitsübung der Positiven Psychologie. An einem Tag in der Woche suchen Sie sich Gelegenheiten, unerwartete Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft zu zeigen. Die Übungen können einfach sein – jemandem an der Kasse den Vortritt lassen, den Menschen anlächeln, mit dem ich morgens immer wortlos an der Bushaltestelle stehe, Paket für den Nachbarn annehmen, Lieblingsessen mitten in der Woche für die Kinder, Einkaufen für die kranke Bekannte, dem Obdachlosen, an dem Sie sonst immer in Eile vorbeigelaufen sind, mit einem kleinen Gespräch seine Zeitung abkaufen  – Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Bringen Sie Ihre Talente. Fähigkeiten und Möglichkeiten ein.  Optimal, so z.B. Glücksforscherin Sonja Lyubomirsky, seien fünf Freundlichkeiten an diesem Tag.
Durch diese Konzentration sei die Wirkung auf unsere Emotionen besonders intensiv und anhaltend.

Stephen G. Post* empfiehlt eine freundliche Handlung, und zwar täglich.

Warum tun die Freundlichkeiten gut? Weil es mir und anderen besser geht. Weil ich mich mehr mit anderen verbunden fühle. In Gemeinschaften, in denen wir uns so verhalten, als seien Fremde und Nachbarn unsere Freunde, blühen wir auf und wachsen wir.

Freundlichkeit lässt Dankbarkeit wachsen. Und dankbare Menschen sind wiederum freundlicher und hilfsbereiter ….

*Stephen G. Post, Professor für Präventivmedizin, Founding Director des Center for Medical Humanities, Compassionate Care, and Bioethics, Stony Brook University, NY, USA, Präsident des Institute for Research on Unlimited Love

 

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Echte Freundschaften

Dass Freundschaften gut tun, spüren wir nicht nur, es ist wissenschaftlich mehrfachbestätigt.

Freundschaften pflegen und offen für neue sein, trägt wesentlich zu unserer Zufriedenheit, unserer Entfaltung, unserer Gesundheit bei.

Sich zusammenschließen, sich um einen anderen Menschen kümmern und Freundsein, indem man ihm zuhört, mit ihm spricht, einfach gemeinsam Kaffee trinkt, einen Wegzusammen macht, ist ein wirksames Antidepressivum, wie eine Untersuchung an chronisch depressiven Frauen in Großbritannien zeigte. Bei 72% der depressiven Frauen nahmen die depressiven Symptome innerhalb eines Jahres ab.

Kurz, mit Freunden sind wir im Leben stärker. Freundschaften bewahren uns vor dem Gefühl von Hilflosigkeit (Depression ist erlernte Hilflosigkeit).

Aristoteles betrachtete den gegenseitigen Altruismus als wesentliches Element der Freundschaft. Er unterschied zwischen Lust-, Nutz- und Tugendfreundschaften.

Studien sagen, drei bis vier Freunde seien ideal (mehr schaden nicht, steigern den wohltuenden Freundschaftseffekt aber nicht weiter). Jede Freundschaft hat ihre eigenen Stärken und Merkmale, weshalb mehrere Freundschaften sich in ihrer Wirkung ergänzen können. Auch wenn man nicht allein ist (Familie, Lebenspartner/in), können Freundschaften das Wohlbefinden nachhaltig fördern.

Aber: welche Beziehungen sind echte Freundschaften und wie lassen sich Freundschaften aufbauen und wie bleiben sie erhalten?

Die heutige Psychologie unterscheidet 4 Arten von Freundschaften (s.a. Psychology today;Friendship: The key to happiness, Patty O’Grady, Oct 2012): 

- Kontakte: Auf facebook haben wir so genannte „Freunde“, die nicht mehr sind als Internet-Kontakte. Viele Kontakte miteinander haben Kinder beim zufälligen Zusammentreffen auf dem Spielplatz, wir beim Einkaufen. Diese Kontakte sind meist oberflächlich. Kann mehr daraus werden? Das ist eher unwahrscheinlich. (Allerdings gibt es die Geschichte „E-Mail für Dich“ mit Meg Ryan und Tom Hanks).

-Lockere  Bekanntschaften/ Zufallsbekanntschaften können die sich wiederholenden Begegnungen beim Spaziergang, in der Nachbarschaft, im Fitnessstudio, im Zug sein. Wir teilen Gedanken eher vorsichtig und zurückhaltend, wahren eine gewisse Selbstdarstellung und Distanz. Eine weitere Annäherung setzt viel Neugier, gegenseitige Offenheit, Dranbleiben voraus.

- Das Miteinander in einem höheren Interesse könnte man Zweck-„Freundschaften“ nennen. In diesem Zusammentreffen teilt man eine gemeinsame Aufgabe, ein Ziel oder eine Hobby, ein Interesse. Sie kann bei Schülern, Studenten, Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, mit denen man sich zusammen für etwas engagiert (ob Hobby oder sozial) entstehen. Das dadurch bereits vorhandene Maß an Ähnlichkeit, die Leichtigkeit des Gedankenaustausches kann mehr Annäherung ermöglichen. Diese Verbundenheit bietet gute Chancen für echte Freundschaften.

- In der echten Freundschaften vertrauen wir einander in ehrlicher, empathischer Weise, wir sind bedeutungsvoll füreinander und auch bei räumlicher Entfernung innerlich verbunden, zeigen unsere Emotionen, geben uns wie wir sind, können über alles sprechen, verzeihen einander, helfen einander selbstverständlich mit allen unseren jeweiligen Möglichkeiten. Echte Freundschaften entsprechen den Tugend-Freundschaften nach Aristoteles. In ihnen  wünscht der Mensch das Beste für seine Freunde, gleich wie viel Spaß oder Nutzen er von ihnen hat.

Gute Freundschaften fangen uns mit unseren Schwächen auf und geben uns Gelegenheit, unsere Stärken zu zeigen  … und sie verlangen diese. Authentisch sein, sich nicht verstellen, freundliche Offenheit für den anderen, Fairness sind Voraussetzungen. Um eine Freundschaft wachsen zu lassen und aufrechtzuerhalten, müssen wir uns Zeit nehmen, um uns mit der Freundin/dem Freund auszutauschen, in Verbindung zu setzen, zuzuhören, zu antworten, wenn sie/er Zuwendung, Rat braucht und auch, um sich mit ihr/ihm zu freuen. Für wirkliche Freundinnen/Freunde ist das kein „Muss“ … und doch entstehen viele Freundschaften nicht, schlafen ein, verlieren ihre Kraft, weil wir meinen, keine Zeit zu haben.

Echte Freundschaften sind positiv – nicht im Sinne von vorwiegend heiter – sondern als stetige  Quelle von Hoffnung, Perspektive,Mitgefühl, Energie. Freundschaften lösen aus der Ichzentriertheit und erweitern uns … und andererseits sind der Mut, der Schritt aus dem engen Ich heraus, das Interesse am anderen die einzige Möglichkeit, Freundschaften aufzubauen und zu stärken.  

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Mehr vom Guten

„Für den Sieg des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun.“

Diese Aussage des englischen Philosophen Edmund Burke ist gut geeignet, zu erklären, worum es beim psychologischen Wohlbefinden geht.  Wenn wir die guten Seiten in uns nicht beachten und nicht aktivieren, überwiegt das „Böse“. In diesem Zusammenhang meine ich nicht das Böse im Sinne von „illegal, verbrecherisch“, sondern: Trägheit, Unruhe, depressive Verstimmung, Unfreundlichkeit, das Gefühl, selbst nichts bewirken zu können, übergroße Ängstlichkeit, Konzentrationsschwäche, mangelndes Durchhaltevermögen, fehlende Lebensfreude, Hoffnungslosigkeit, Interesselosigkeit, Ideenlosigkeit, fehlende Bindungen, in denen ich mich engagiere, keine Motivation, meine Fähigkeiten einzusetzen, kein Mitgefühl,  …..

Wenn wir die guten  Seiten (die Gegenteile der obengenannten Beispiele) in uns stärken, werden wir einen Ruck zu einem erfüllteren, volleren Sein in unser Leben und auch in die Gesellschaft bringen.

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Ich schätze mich, achte auf mich, lenke mich: Selbstkontrolle  

 „Du bist verantwortlich für dein Handeln. Wenn du die Herrschaft über deine Gedanken, Wünsche und Handlungen erlangst, trägst du zur Ordnung in deiner Umgebung bei. Wenn du dich von Genen und Memen beherrschen lässt, versäumst du die Möglichkeit, du selbst zu sein.“ So Mihaly Csikszentmihalyi, Entdecker des Flow-Erlebens, in „Dem Sinn des Lebens eine Zukunft geben: Eine Psychologie für das dritte Jahrtausend“.
Als „Meme“ bezeichnet Mihaly Csikszentmihalyi das, was Menschen in die Welt gebracht haben und in dem hier gemeinten Zusammenhang unsere freie Entfaltung behindert, ob Ideologien oder das Smartphone, das mich ‚verpflichtet‘ hundertmal am Tag zu ‚liken‘.

Diese „Herrschaft“ über meine Gedanken, Wünsche und Handlungen ist die Kraft der Selbstkontrolle oder Selbstregulation. Sie gilt als die Voraussetzung zur Verwirklichung aller unserer anderen Stärken und Tugenden. Sie hat eine Schlüsselfunktion. Sie ist so zu sagen die Moment-mal-Stärke, die uns innehalten lässt und an unsere besten Seiten erinnert.
Sie hilft uns, ungute Gedanken zu bremsen, auf unsere Gefühle zu achten, vorschnelles, unüberlegtes Verhalten auszuschalten, ungewollten Ablenkungen zu widerstehen, beeinträchtigende Abhängigkeiten aufzulösen,  anderen zuzuhören, neues Verhalten aufzubauen, den Faden in unserem Leben nicht zu verlieren, wieder aufzunehmen und neue Möglichkeiten nicht zu übersehen, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung für uns zu übernehmen.
Sie ist eine Komponente der Entschlossenheit, die uns Ungeahntes erreichen lässt.
Sie hängt mit Achtsamkeit zusammen. Achtsamkeit, in der wir uns bewusst langsamer und aufmerksamer machen, gibt uns die Chance, tatsächlich das zu tun, was wir können, unsere Potenziale, Talente und Fähigkeiten zu verwirklichen.
Wir brauchen sie überall im Leben, und die Energie der Selbstkontrolle verbraucht sich schnell. Wir vergeuden sie oft gedankenlos. Aber wir können sie trainieren und ihre Nutzung optimieren.

Der amerikanische Sozialpsychologe Roy Baumeister hat lange das Selbstwertgefühl erforscht. Im Laufe der Zeit ist er aber zu der Überzeugung gekommen, dass die Selbstkontrolle die Schlüsselposition hat und alle anderen Stärken erst ermöglicht.
„Nach all den Jahren empfehle ich: Vergessen Sie alles, was Sie von Selbstwertgefühl gehört haben und konzentrieren Sie sich stattdessen auf Selbstkontrolle oder Selbstdisziplin. Neuere Studien weisen daraufhin, dass diese gut für den einzelnen Menschen und gut für die Gemeinschaft ist – und einige der Versprechen erfüllen könnte, die das Konzept des Selbstwertgefühls einst machte, aber nicht erfüllen konnte.“*

Roy Baumeister erkannte, dass nicht immer ein mangelndes Selbstwertgefühl die Ursache von Misserfolg und Versagen ist. Vielmehr kann ein übersteigertes Selbstwertgefühl, eine Selbstüberschätzung und damit zusammenhängend mangelnde  Selbstkontrolle die Ursache sein. Ausschlaggebend ist die Selbstkontrolle, die Kraft, mich zu lenken. Sie hilft das Selbstwertgefühl, die Selbstachtung in beide Richtungen zu regulieren, fördert Selbstbestimmung und auch positive Emotionen – allesamt wesentliche Säulen des psychischen Wohlbefindens. 

Die Selbstkontrolle schafft Gelegenheiten, Verhalten zu zeigen, das unser Selbstwertgefühl stärkt, ihm so zu sagen Substanz gibt. Selbstwert resultiert daraus, dass ich etwas tue, auf das ich persönlich stolz sein kann, und dabei hilft die Kraft der Selbstkontrolle.
Sie ist keine festgelegte Eigenschaft, von der einige mehr, andere weniger haben. sondern eine Ressource, eine Energie, mit der wir bewusst und gezielt umgehen, die wir aufbauen und mit ihrer Hebelwirkung nutzen können. 
Roy Baumeister vergleicht die Kraft der Selbstkontrolle mit einem Muskel, der durch Anstrengung erschöpft, aber auch trainiert werden kann.

*Roy Baumeister, John Tierney „Die Macht der Disziplin: Wie wir unseren Willen trainieren können”
*www.fsu.edu@profiles/baumeister

 

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Die Entwicklung des Universums mitgestalten

Sinn können wir in der Gestaltung einer komplexeren Zukunft erleben, d.h. in einer Entwicklung des Universums, an der wir uns durch die Verwirklichung unserer Fähigkeiten beteiligen.

Einige Anregungen, gewissermaßen die vier Gebote, die durchaus erweiterungsfähig sind:

„Dem Sinn des Lebens eine Zukunft geben: Eine Psychologie für das dritte Jahrtausend“ (1993)Mihaly Csikszentmihalyi (Entdecker des Fow-Erlebens)  S. 372

„1. Du bist einTeil all dessen, was dich umgibt: Luft, Erde und Wasser; Vergangenheit und Zukunft. Wenn du eines davon in Unordnung bringst, schadest du dir selbst.

2. Du sollst deine Einzigartigkeit nicht leugnen. Du bist das einzige Zentrum des Bewusstseins an deinem Ort in Raum und Zeit. Deshalb sollten deine Gedanken,Gefühle und Handlungen ihren Ursprung in deinen persönlichen Erkenntnissen und Erfahrungen haben.

3. Du bist verantwortlich für dein Handeln. Wenn du die Herrschaft über deine Gedanken, Wünsche und Handlungen erlangst, trägst du zur Ordnung in deiner Umgebung bei.Wenn du dich von Genen und Memen* beherrschen lässt, versäumst du die Möglichkeit, du selbst zu sein.

4. Du solltest mehr werden, als du bist. Das Selbst ist eine kreative Konstruktion. Niemand ist jemals vollständig oder vollendet. Was du in Zukunft tun wirst, entscheidet darüber, wer du bist. Wer die Grenzen eines egozentrischen Selbst überwindet, beschreitet den Weg der Evolution.“

*Meme = das, was Menschen in die Welt gebracht haben und in dem hier gemeinten Zusammenhang unsere freie Entfaltung behindert, ob Ideologien oder das Smartphone, das mich‚verpflichtet‘ hundertmal am Tag zu ‚liken‘.

Mihaly Csikszentmihalyi ermuntert auch zur Bescheidenheit: Unser Sinn, unser Beitrag zur Evolution, wie oben beschrieben, bleibt und unser Tun wirkt weiter, auch wenn wir schon lange nicht mehr sind. 

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Mein Warum  

Diese bekannte Geschichte von der Baustelle ist eine Sinn-Geschichte.

Ein Kind kommt an ein einer Baustelle vorbei, wo Bauarbeiter Steine behauen. Es fragt einen der Bauarbeiter: „Was machst du da?“ Er antwortet: „Ich behaue einen Stein.“ Der zweite Arbeiter sagt: „Ich verdiene Geld für meine Familie.“ Und der dritte: „Ich baue einen Dom.“

In dieser Geschichte geht es um Sinn, Selbstverständnis, Verbundenheit mit dem, was wir tun, Verbundenheit mit etwas, das größer ist als wir selbst, es geht um Wertschätzung und darum wie wir uns selbst einordnen.   

 

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 Wie fühlt sich psychologisches Wohlbefinden an?

Felicia Huppert, die Direktorin des Instituts für Wohlbefinden an der Cambridge University, hat festgestellt, aufblühende Menschen haben positive Gefühle, sind interessiert und engagiert und erfahren in ihrem Leben Sinn und Bedeutung. Das sind für Prof. Huppert die so genannten Kerneigenschaften des Aufblühens. Hinzu kommen noch mindestens drei der folgenden zusätzlichen Eigenschaften: positive Beziehungen, Optimismus, Widerstandskraft/Resilienz, Vitalität, Selbstbestimmung, Selbstachtung.

Der Psychologe Corey L.M, Keyes nannte als Erster die Entfaltung unserer Fähigkeiten zu einemgelingenden Leben „Flourishing“, „Aufblühen“. Menschen, die aufblühen, so Corey Keyes, „begeistern sich für das Leben, haben aktive, gewinnbringende, tragfähige Beziehungen zu anderen Menschen und engagieren sich für die  Gesellschaft.“*

Gibt es Bedingungen, die den Aufbau von Lebenswohlbefinden begünstigen oder erschweren?

Die förderlichen Eigenschaften sind Offenheit für neue Erfahrungen und gute Beziehungen zu anderen Menschen. 

Menschen, die einen positiven Denkstil haben, aus innerem Antrieb und nach ihren Werten(intrinsisch motiviert) handeln, flexibel und kreativ denken, für neue Ideenaufgeschlossen sind, soziale Verbundenheit, Vertrauen in die Gemeinschaft haben,Loyalität schätzen, anderen Menschen offen begegnen, extraviert sind, anderen helfen, Freude am Leben haben, entfalten mit hoher Wahrscheinlichkeit ein hohes Maß an Wohlbefinden und umgekehrt fördert das Wohlbefinden eben diese Eigenschaften.

Welche Einstellungen stehen dem Aufblühen entgegen? Menschen, die mit geringerer Wahrscheinlichkeit aufblühen, legen sehr großen Wert auf Geld, Status, Sicherheit und traditionelle religiöse und ideologische Werte.

Studien zeigen, dass in wirtschaftlich entwickelten Ländern demografische und soziökonomische Faktoren nur zu etwa 10% für die Unterschiede im psychologischen Wohlbefindender Menschen verantwortlich sind.* Auch die zu um etwa 50% vererbbaren Persönlichkeitsmerkmale (Extraversion, emotionale Labilität, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, Offenheit für neue Erfahrungen) erklären den Wohlbefindensunterschied nicht. Das heißt, wir können unser Aufblühen zu einem großen Teil selbst gestalten.

*Psychological Well-being: Evidence Regarding its Causes and Consequences. Felicia Huppert, Applied Psychology; Health and Well-being, 2009

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So können wir Wohlbefinden aufbauen

Wir haben großen Einfluss auf unser psychisches Wohlbefinden.
Wir können uns bewusst, absichtlich um mehr Wohlbefinden kümmern.
Die Strategien lassen sich in drei Kategorien einteilen:

- Verhalten /Übungen (z.B. freundlich zu anderen sein, sich mehr bewegen)

- kognitiver Stil/ Denkstil / Einstellungen (keine rosarote Brille, aber z.B. die Dinge positiver, optimistischer, günstiger sehen / dankbar sein)

- Motivationen/ Ziele setzen, die mit den eigenen Werten, dem, was einem wichtig ist, übereinstimmen, intrinsisch motiviert sind und nicht durch äußere Belohnungen.

Beim Verwirklichen dieser Wohlbefindensstrategien helfen uns unsere positiven Charakterstärken.

 

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5 Wege zum Wohlbefinden

Das psychologische Wohlbefinden umfasst das Sich-gut-Fühlen und das Für-ein-gelingendes-Leben-handeln-Können. Merkmale einer positiven Lebenserfahrung sind Gefühle von Glück, Zufriedenheit, Freude, Neugier, Engagement. Merkmale des Gut-Handeln-Könnens: das Leben einigermaßen im Griff haben, gelingende Beziehungen, einen Zweck/Sinn im Leben erfüllen.

Die New Economics Foundation (neweconomics.org) ist eine unabhängige Organisation in Großbritannien, die  Ideen entwickelt, wie die Wirtschaft sich zu Gunsten der Menschen und des Planeten wandeln kann.
Sie wurde vom UK Regierungsprojekt Foresight Project on Mental Capital and Wellbeing beauftragt, Aktivitäten zur Steigerung des persönlichen Wohlbefindens mit nachgewiesener Wirksamkeit zu entwickeln.

Herausgekommen sind dabei die „Five Ways to Wellbeing“ (können auch als Karten bei neweconomics.org bestellt werden).

Diese 5 Wege sind so einfach und einleuchtend, dass jeder sie umsetzen kann, im täglichen Leben, privat, beruflich, in jedem Alter.

- Sich verbinden

Familie,Freunde, Kollegen, Nachbarn, Bekannte, im privaten, schulischen, Arbeits-,Gemeindeumfeld …. Beziehungen zu anderen Menschen bereichern das Leben und sind in vieler Hinsicht sowohl Freude als auch wertvolle Unterstützung.

- Aktiv sein

Sich im Freien aufhalten, wandern, spazieren. Fahrrad fahren, tanzen … irgendeine körperliche Aktivität, die zu uns, unserer Mobilität passt und uns Spaß macht …und schon fühlen wir uns wohl.

- Bewusst wahrnehmen

Das Schöne, das Ungewöhnliche, die Veränderungen um sich herum wahrnehmen, das, was wir zu kennen glauben, den Augenblick, wo immer und mit wem auch immer genießen, neugierig und offen sein, Pausen im Tag dafür nutzen … und wir stellen fest, dass es vieles im Leben gibt, das uns etwas wert ist. 

- Immer weiter lernen

Etwas Neues, Wissen und Fähigkeiten vertiefen, alte Interessen wieder aufnehmen, Dinge zu Hause und im Beruf auf neue Weise tun, sich Ziele setzen, sich fordern …. das macht Spaß und hebt das Selbstbewusstsein und ist ein Schritt zum Flow-Erleben(s. Blog 10.8)

- Geben

Freunden, Bekannten oder Fremden etwas Gutes tun, ein freundliches Gespräch, wirkliches Zuhören, anderen bei einer Aufgabe helfen, sich ehrenamtlich engagieren …. und wir spüren, wie wir uns zunehmend lebendiger, glücklicher, selbstbewusster, mit anderen und der Welt harmonischer verbunden fühlen.

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Spinoza und die positive Psychologie

Baruch de Spinoza, im 17. Jahrhundert lebender holländischer Philosoph, drückte aus, worum es in einem positiven Menschenbild geht, wie Menschen wachsen und glücklich werden, warum es so wesentlich ist, nicht von den Defiziten, sondern von unseren Stärken und guten Seiten auszugehen, positiv und somit öffnend zu denken und zu fühlen.

„Diejenigen, welche die Menschen heruntersetzen und sich besser darauf verstehen, über die Laster zu schimpfen, als Tugenden zu lehren, und das menschliche Gemüt zu zerknirschen, statt es zu kräftigen, sie sind sich und anderen zur Last.“

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Autorin: Claudia Pilatus > s. Kontakt